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Politik: Vier Euro pro Flugticket für die Dritte Welt

Frankreich macht den Anfang. In Deutschland wird über die neue Abgabe noch immer gestritten

Berlin - Frankreich geht voran. Vom 1. Juli an werden dort die Käufer von Flugtickets für jeden Flug innnerhalb der Europäischen Union einen Euro und in der Business-Klasse vier Euro zusätzlich bezahlen. Für Flüge zu außereuropäischen Zielen werden sogar vier beziehungsweise 40 Euro fällig. So will die französische Regierung rund 200 Millionen Euro pro Jahr aufbringen, um den internationalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria zu finanzieren.

Erstmals macht damit ein Industrieland mit einem Konzept Ernst, das Entwicklungsexperten schon seit Jahren fordern: Mit neuen internationalen Steuern soll der Kampf gegen Hunger und Unterentwicklung finanziert werden. Nur so lässt sich nach Ansicht vieler Fachleute sicherstellen, dass die Weltgemeinschaft das von den Vereinten Nationen deklarierte Millenniumsziel zur Halbierung der Armut bis zum Jahr 2015 erreicht. Nach Schätzungen der Weltbank würden zusätzliche 50 Milliarden Dollar pro Jahr dafür genügen. Aber die klassische Entwicklungshilfe kann das nicht leisten, weil sei von den Zufällen der Verteilungskämpfe um die nationalen Haushalte abhängig ist.

Auf Initiative des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva forderten 113 Regierungen darum bereits im September 2004 die Einführung „innovativer Finanzierungsmechanismen“ zur Armutsbekämpfung. „Der größte Skandal besteht nicht in der Existenz des Hungers, sondern darin, dass er selbst dann noch fortbesteht, wenn wir die Mittel haben, ihn zu beseitigen“, lautet der Kernsatz der Erklärung. Gleich fünf Expertengremien haben seither die Machbarkeit solcher Instrumente nachgewiesen. In der Debatte sind eine Abgabe auf internationale Devisentransfers, eine Besteuerung des internationalen Waffenhandels oder die Einführung einer Kohlendioxid-Abgabe.

Doch vor allem die US-Regierung widersetzt sich bisher jeder Art von internationaler Besteuerung. Um dennoch voranzukommen, schlug Frankreichs Staatspräsident Jaques Chirac im September 2005 die Einführung einer Flugverkehrsabgabe vor, die jedes Land alleine erheben, aber den Ertrag für gemeinsame Programme ausgeben kann. Das Straßburger EU-Parlament schloss sich der Forderung an. Bislang konnten sich die EU-Regierungen jedoch nicht darauf einigen. Neben Frankreich hat sich bisher nur die schwedische Regierung dazu bereit erklärt. Außerhalb der EU wollen Brasilien und Chile mitmachen. Heute treffen Vertreter von über 100 Regierungen in Paris zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Es sei mit neuen verbindlichen Absichtserklärungen zu rechnen, heißt es in Pariser Regierungskreisen.

Allerdings nicht aus Deutschland. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) reist mit leeren Händen nach Paris. Zwar vereinbarte die große Koalition, die Entwicklungshilfe solle auch durch „innovative Finanzinstrumente“ aufgestockt werden. Doch die Ticket-Abgabe ist vor allem in der Unionsfraktion umstritten. Es bedürfe noch „weiterer Verhandlungen im Kabinett“, sagte die Ministerin vorsichtig.

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