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Erneut wird in der deutschen Politik über den Abzug der Tornados vom Nato-Stützpunkt in Incirlik debattiert.

© AFP

Vier Fragen an Josef Joffe: Erdogan wird die Nato weiter quälen

"Zeit"-Herausgeber Josef Joffe über die Unverzichtbarkeit der Türkei, Venezuela als das neue Syrien und Julian Assanges Zukunft als Gejagter.

Wieder Streit um Incirlik – ist die Türkei als Nato-Partner noch tragbar?

Tragbar war sie nie, ertragbar aber immer. Erfolgreich hat das Militär dreimal offen und einmal, 1997, versteckt geputscht. Erdogan ist auf dem Weg in die Diktatur. Aber kraft ihrer Lage am Rande Russlands, des Nahen und des Mittleren Ostens bleibt die Türkei ein unverzichtbarer Bundesgenosse. Die USA täten sich schwer, den „Islamistischen Staat“ ohne ihre drei Basen in Incirlik, Ismir und Aksa zu bekämpfen. Die Bundeswehr könnte ihre paar Tornados auch anderswo stationieren. Doch braucht Berlin die Türkei als Grenzwall gegen Flüchtlinge. All das weiß Erdogan, und deshalb wird er das Bündnis weiter quälen. Etwa, indem er hauptsächlich auf die Kurden schießt, die mit dem Westen kämpfen.

Hat Nikki Haley, die US-Botschafterin bei der UN, recht: Bahnt sich in Venezuela das nächste Syrien an?

Zum „Weltproblem“ (Haley) geriet Syrien erst, als sich die Außenmächte einmischten. Dennoch drängen sich Parallelen auf: In beiden Fällen kämpft das Volk gegen eine blutrünstige Diktatur, die das Land ruiniert hat. Moskau wollte Kuba und Grenada zu Stützpunkten machen; Venezuela bietet ebenso gutes Wetter plus massenhaft Erdöl. Anderseits weiß Putin, dass Amerika in seiner Sphäre sehr gereizt reagiert. Jetzt soll sich erst einmal der UN-Sicherheitsrat mit dem Fast-Bürgerkrieg beschäftigen. In Syrien war er nicht sehr erfolgreich. Auch nicht im Sudan und Jemen.

110 Millionen Euro Strafe für Facebook wegen Falschaussagen. Wirksam oder Peanuts?

So viel wie 110 Euro für WmdW. Betrachten wir die Zahlen. Facebook hat zwei Mrd. Accounts weltweit. Seine Ableger WhatsApp und Instagram haben 1,2 Mrd. und 700 Mio. Nutzer. Allein für Werbung kassiert Facebook 30 Mrd. Dollar jährlich. Die Strafe ist ein Nadelstich, aber dahinter lauert Schärferes. Die EU kann härter zustechen als die nationalen Behörden. Sie weiß zudem, dass sich die Stimmung gegen Facebook, Google und Apple kehrt, die bislang eisern gemauert haben. Allerdings hat das Trio Milliarden, um die längsten Schlachten vor Gericht auszufechten.

Ein letztes Wort zu Julian Assange...

Die Schweden wollen nach sieben Jahren nicht mehr wegen Sex-Crimes ermitteln, doch werden die Amerikaner nicht aufhören, den Mann als Staatsfeind zu jagen. Die Briten haben den Haftbefehl noch nicht aufgehoben, weil er gegen Kautionsauflagen verstoßen habe. Freilich ist das nicht mehr der Assange, der weiland ein Monopol auf Geheimnisverrat hatte. Inzwischen spielen viele auf dem Markt mit; sein Alleinstellungsmerkmal ist weg. Assange hat zu viele Regierungen provoziert, um ein beschauliches Leben zu führen.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Die Fragen stellte Ariane Bemmer.

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