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Vier Fragen an Josef Joffe: Germanwings, Obama, Netanjahu - ein Quantum Trost

Europa stützen, Obama nicht beneiden, an DDR-Opfer erinnern, Netanjahu zu hassen lieben - was "Zeit"-Herausgeber Josef Joffe zu den aktuellen Themen sagt. Vier Fragen, vier Antworten.

Merkel, Hollande, Rajoy am Unglücksort. Schweißt die Katastrophe Europa zusammen?

Das tut sie immer, denn: geteiltes Leid ist halbes Leid, auch zwischen Staaten. Sie lernen aus der Kooperation und stärken somit die Tradition derselben, die ein Modell für die nächste Unglücksbewältigung liefert. WmdW kann die geräuschlose Zusammenarbeit der Polizei und Rettungskräfte auf deutscher wie französischer Seite nur loben – umso mehr, als die Bedingungen in der feindlichen Bergwelt so schwierig sind. Niemand kann den Selbst- als Massenmord begreifen. Angesichts dieser kosmischen Absurdität und Gemeinheit schafft die Gemeinsamkeit der Staatsführer ein Quantum an Trost. Ob sie deswegen in der „großen Politik“ zusammenstehen, ist eine andere Frage.

Saudi-Arabien greift im Jemen ein. Und was macht Amerika?

Es liefert „logistische Unterstützung“ und freundliche Worte, kann aber nicht verbergen, dass Obamas Rückzug aus Mittelost ein Vakuum geschaffen hat, welches die Ambitionen des Terrors sowie des Irans beflügelt. Die Saudis mögen sehr wohl entschieden haben, dass sie selber handeln müssen, weil a) auf Obama kein Verlass sei und b) Teheran überall auf dem regionalen Schachbrett seine Figuren vorschiebt (wie jetzt im Jemen). Riad muss richtig nervös sein, wenn es neuerdings ohne US-Waffenhilfe agiert. Obamas Strategie, Teheran als Ordnungsmacht zu gewinnen, geht nicht auf. Offensichtlich hält seine kooperative Nuklearpolitik die Iraner nicht davon ab, weiter in der Region auszugreifen. WmdW möchte nicht in Obamas Haut stecken.

Neue Debatte: Braucht Berlin ein Denkmal für die Opfer des Kommunismus?

Wäre das „besinnungslose Denkeritis“? Na ja, in Berlin stehen zwei Denkmäler, die an den Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg erinnern (Treptow und nicht weit vom Brandenburger Tor). Warum nicht auch an die Opfer des Kommunismus erinnern? Solche Mahnmale stehen in Budapest, Moskau, Prag und Sofia. Was wissen die, was die Berliner nicht wissen? Ob rot oder braun: Der Totalitarismus hat immer unschuldige Menschen vernichtet, die nicht ins System passten. Keine Sorge, ein solches Mahnmal wird das Holocaust-Memorial nicht überschatten, geschweige denn das Menschheitsverbrechen relativieren. Nie.

Ein letztes Wort zu Netanjahu ...

...den Mann „we love to hate“. Dass er keinen palästinensischen Staat mehr will, hat er nach den Wahlen zurückgenommen. Jetzt zahlt er der Palästinenserbehörde Hunderte von Millionen an Steuereinnahmen, die er zu Jahresanfang eingefroren hatte. Ohne das Geld wäre die Ramallah-Regierung womöglich kollabiert. Realismus ist in dieser Region allemal besser als Träume.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“ und lehrt zur Zeit Politik an der Stanford University. Fragen: mal.

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