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Josef Joffe, Herausgeber der "Zeit".

© privat

Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

Deutschland als gelobtes Land, Putin als Expansionist und Hasskommentare im Netz - Josef Joffe über die Themen der Zeit.

Ein Kommentar von Dr. Josef Joffe

Flüchtlinge und kein Ende: Ist die Kanzlerin auf dem richtigen Kurs?

„Wir schaffen das!“ ist die Merkel-Version von Obamas „Yes, we can“. So reden deutsche Politiker selten. Das ist ein Kultur(um)bruch, der sich auch in den Umfragen spiegelt. Sechs von zehn haben keine Angst vor „zu vielen Flüchtlingen“, fast 90 Prozent „schämen sich für die gewalttätigen Proteste“. Die Gesinnung stimmt, und die ungeliebte Bürokratie vollbringt Wundersames, sind doch allein am Münchner Hauptbahnhof 30.000 gelandet. Deutschland ist das neue Amerika, das gelobte Land. Wer kann es den Millionen verdenken, dass sie nach D streben und nicht in Serbien, geschweige denn Ungarn bleiben wollen. Wie stark die Willkommenskultur ist, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Die Heimatschützer der CSU und die völkischen Ultras werden Oberwasser kriegen.

Putin und Assad bekämpfen die IS-Miliz: Was soll falsch daran sein?

Nichts und alles. Den IS zu schwächen ist gut, die Absichten sind es nicht. Für Putin ist Syrien kein humanitäres Projekt, sondern ein Zug auf dem Schachbrett der Expansion. Sein Expeditionskorps besteht weitgehend aus Spezialkräften, die in der Ukraine geübt haben. Assad ist der Urquell allen Übels. Gewinnen beide, stehen bevor: 1. ein Blutbad der Rache an allen, die gegen Assad gekämpft haben; 2. ein russisches Satrapen-Regime in Damaskus und 3. ein iranischer Stützpunkt am Mittelmeer. Obama hat den schwersten Fehler seiner Amtszeit begangen, als er 2011 den Irak ver- und Syrien seinem Schicksal überließ.

Jeremy Corbyn ist neuer Labour-Chef. Steckt in ihm die Wandlungsfähigkeit eines Alexis Tsipras?

Wir hatten schon mal einen Corbyn; er hieß Michael Foot und führte Labour von 1980 bis 1983. Sein Programm für den Wahlkampf ’83 nannte ein Labour-Parteikollege den „längsten Selbstmord-Abschiedsbrief der Geschichte“. Foot wollte die Banken verstaatlichen, Steuern hochjagen, einseitig abrüsten. Labours Niederlage war die schlimmste seit 1918. Nichts deutet darauf hin, dass Corbyn ein Tony Blair im Rotpelz ist, ein pragmatischer Sozialdemokrat wie Gerhard Schröder. Überdies brummt die britische Wirtschaft, derweil sie 1983 darniederlag. David Camerons Tories dürfen frohgemut in die Zukunft blicken.

EinWort zu Hasskommentaren im Netz...

„Ächten, verbieten, öffentlich züchtigen!“ Geht natürlich nicht, weil wir so das höchste Gut der Meinungsfreiheit beschädigten. Anderseits gibt es genug Gesetze gegen Hetze, Völkerhass und Gewaltaufruf. Was davon im Netz steht, würde jede Zeitung vor den Kadi bringen wg. Verstoßes gegen das StGB. Die Freiheit ist kein Freibrief.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Die Fragen stellte Malte Lehming.

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