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Josef Joffe, Herausgeber der "Zeit"

© privat

Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

Assad meiden, Patriarchen misstrauen, Menschen vorm Terror retten - der "Zeit"-Herausgeber Josef Joffe über Themen der Zeit.

Obama trifft Putin. Naht das Ende des Syrien-Kriegs?
Häh? Was wir jetzt haben, ist eine unheilige Allianz zwischen Russland, Iran und Amerika, der sich auch Berlin anzuschließen scheint, jedenfalls verbal. Die Allianz steht hinter Assad, dem Diktator, der den Krieg 2011 lostrat, indem er Pro-Demokratie- Demonstranten niederkartätschen ließ. Wer nun glaubt, dass Assad sich mit allen Kriegsparteien um den Runden Tisch versammelt, um einen Frieden auszuhandeln, glaubt auch, dass Kannibalen und Vegetarier eine gemeinsame Speisekarte austüfteln könnten. Der Menschenschinder hat jetzt freie Hand, sein Werk zu beenden. Der Flüchtlingsstrom wird anschwellen. Ein real- wie moralpolitisches Desaster.

Papst Franziskus in den USA: Hat er Eindruck hinterlassen?
Selbstverständlich. Das tut jeder Papst auf seinen Reisen, doch dieser tut es gern mit Predigten, denen niemand widersprechen würde. Wer wäre denn nicht gegen Armut und Hunger – und für Gerechtigkeit und Menschenwürde? Wer möchte denn nicht alle Kriege beenden oder Flüchtlinge als Menschen behandeln? In der diesseitigen Welt aber ist das „Wie?“ entscheidend, und deshalb fällt WmdW bei Franziskus, der so viel über alles redet, der Spruch der Porzia aus dem „Kaufmann von Venedig“ ein: „Wäre tun so leicht als wissen, was gut zu tun ist, so wären Kapellen Kirchen geworden und armer Leute Hütten Fürstenpaläste.“ Hoffen und Handeln sind zweierlei Ding.

VW-Affäre: Ist das Unternehmen too big to fail?
Das ist nicht die Frage, sondern wie der Konzern durch die Krise kommt, die älter ist als der listige Betrug mit der Stickoxyd-Software. VW verkauft zwar die meisten Autos auf der Welt, ist aber nicht sehr profitabel, wie die Aktienkurse schon vor dem Skandal gezeigt haben. Sie wurden mit dem Siebenfachen des (erwarteten) Ergebnisses gehandelt; Daimler und BMW holten das Neunfache. Das Problem ist, dass eine Familie (Porsche, Piech) die Stimmenmehrheit hält. Da überragt das Patriarchale leicht das Profitable. Dass wieder ein Piech-Mann, Matthias Müller von Porsche, Chef geworden ist, garantiert nicht unbedingt die brutale Erneuerung an Haupt und Gliedern. Möge er eine glückliche (und vor allem freie) Hand haben.

Ein (sicher nicht) letztes Wort zu den Flüchtlingen...
Menschen, die Tod und Terror entfliehen, müssen gerettet werden. Punkt! Ob auch eine moralische Pflicht besteht, solche aus dem Balkan, Ost und West, aufzunehmen, ist eine andere Frage. Moral hat auch mit Mitteln zu tun, den materiellen wie den kulturellen. Und mit der Bereitschaft aller EU-Länder, einen fairen Teil der Bürde zu schultern. Europas Boot ist noch lange nicht voll, aber die Priorität gilt jenen, deren Leben auf dem Spiel steht.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Die Fragen stellte Malte Lehming.

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