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Josef Joffe

© Tsp

Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

Auf den Zerfall der Sozen schauen, in Brasilien eisern die Lippen schließen und Trump Nachhilfe geben.

Überall in Europa schwächeln die Sozialdemokraten. Was ist ihr Problem?
Die Sozen waren die Stimme der aufsteigenden Arbeiterklasse. Die gibt es nicht mehr, weil der Industrieanteil am BIP sinkt. Um die 20 Prozent macht er aus, vor 25 Jahren waren es etwa zehn Punkte mehr. Zudem wächst die Konkurrenz im linken Segment. Grün spricht für die ökonomisch abgesicherte Kulturlinke (Öko, Multikulti, Genderismus), Hartlinks für die Abstiegsbedrohten (Umverteilung). Und die AfD spricht für die Abschotter, die Migranten als Arbeitsplatzräuber fürchten. Die SPD wird von allen zerrieben. Und was übrigbleibt, kriegt Merkel mit „Von allem etwas für jeden“.

50 Jahre chinesische Kulturrevolution: Warum war sie für viele Linke im Westen so faszinierend?

Die Linke glaubt grundsätzlich an den „Neuen Menschen“, der den „Alten Adam“ ersetzen würde, wenn man ihn richtig umerzieht. Bei harter Landarbeit würden die Privilegierten das richtige Bewusstsein lernen. Und die Gleichheit würde obsiegen, wenn der Professor putzt, gräbt und pflügt. Dass dabei unsägliches Elend entsteht, dann die Wirtschaft zugrunde geht, haben die Ideologen nie auf dem Zettel. Denn die Erlösung ist ja so nah, und wo gehobelt wird, fallen Späne. Hauptsache, wir sind auf der richtigen Seite der Geschichte. Bis zu 1,8 Millionen sind in der Kulturrevolution umgekommen.

Brasilien steckt tief in der Krise: Können wir uns noch auf die Spiele dort freuen?

Das könnten, äh, „Scheißspiele“ werden, jedenfalls im Wassersport. Schwimmer, Ruderer und Segler werden in ungeklärten Abwässern (etwa die Hälfte) kämpfen müssen. Bis zum Sommer wird Brasilien das Fäkalienproblem nicht lösen. Also eisern die Lippen schließen, wer ins Wasser fällt. Danach ein Desinfektionsbad. Oder zwischen den Events den Mund antibakteriell ausspülen. Aber Landathleten müssen sich nicht sorgen, es sei denn sie trinken aus Desinfektionsgründen zu viel Caipirinha.

Ein letztes Wort zu Amerika...
Wie üblich zum Trumpator. Der hat sich mit dem zweitmächtigsten Mann Amerikas, Paul Ryan, dem Speaker des Unterhauses, getroffen. Und dieser Ryan hat Donald Trump Nachhilfe in der US-Verfassung gegeben, insbesondere zum Artikel 1, der dem Kongress die exklusive Macht über ein paar Kleinigkeiten verleiht, die Trump nicht so richtig checkt: über Haushalt und Steuern, Einbürgerung (Mexikaner und Muslime raus!), Handel (Strafzölle und so), Kriegserklärung. Das sind die berühmten „Checks and Balances“. Vielleicht macht’s jetzt Trump keinen Spaß mehr, und er verzieht sich wieder ins Immobiliengeschäft.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Er lehrt zurzeit an der Stanford University. Fragen: Malte Lehming

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