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Josef Joffe ist Herausgeber der "Zeit".

© Tsp

Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

"Zeit"-Herausgeber Josef Joffe über die Folgen des Brexit, die Versöhnung der Türkei mit Israel, VW-Kunden in den USA und die Wahlen in Österreich.

Großbritannien nach dem Brexit: Wer soll das Land führen?

WmdW darf fantasieren. Die Tories heben jemanden auf den Schild, die/der sich deutlich zu Europa bekennt und das Referendum, das keine Gesetzeskraft hat, mit einem lauten Votum im Unterhaus konterkarieren lässt. Leider sind alle fünf Kandidaten keine Freunde der EU. Nur Theresa May will bleiben, verkündet aber: „Brexit heißt Brexit.“ Sie will einen „ordnungsgemäßen“ Abgang aushandeln. Aber vielleicht ist das nur innerparteilicher Wahlkampf. Wenn nicht, verwandelt sich der alte Slogan „Rule Britannia“ in „Fool Britannia“. Also: Die Weltmacht als Clown.

Erdogan und Netanjahu versöhnen sich: Befriedet das die Region?

Nicht die Region, aber die Beziehung Ankara-Jerusalem, die sich seit der „Marmara“-Kaperung 2010 im Vorkriegszustand befindet. Premier Yildirim: „Wir wollen die Zahl unserer Freunde vergrößern und die unserer Feinde verringern.“ Den Türken geht’s nicht gut, hat sich doch Erdogan mit allen Nachbarn von der EU über Russland bis Ägypten angelegt, von Kurden und IS ganz zu schweigen. Die Türkei und Israel waren übrigens früher Verbündete. Jetzt kommt hinzu, dass Israel zur Erdgas- Großmacht heranwächst und die Türkei das logische Tor nach Europa ist. Dennoch: ein Zweckbündnis, mehr nicht.

Amerikanische VW-Kunden kriegen mehr als die deutschen. Ist das gerecht?

Nein, aber Amerikas Gerichte sind im Konsumentenschutz sowie beim Schadensersatz großzügiger als deutsche. Überdies ist VW hierzulande ein nationales Juwel, derweil die USA kaum Mitgefühl für einen ausländischen Konzern zeigen müssen. Schließlich kennt die deutsche Justiz noch keine Sammelklagen, mit denen die Kunden ihre Ansprüche an eine Kanzlei abtreten. Die kann dann für alle Geschädigten klagen. Das schafft gewaltige Macht und bringt hohe Entschädigungssummen, von denen die Anwälte ein Drittel behalten.

Ein (vorerst) letztes Wort zu Österreich …

Demokratie heißt Wahlen, und je mehr Wahlen, desto mehr Demokratie, oder? In diesem Fall, wo die Verfassungsrichter nach einer Klage der FPÖ Neuwahlen dekretiert haben, kann man's den Rechtspopulisten nicht verdenken, wegen „Unregelmäßigkeiten“ bei der Präsidentenwahl zu klagen. Denn der Grünen-Kandidat hatte nur einen Vorsprung von 31 000 Stimmen. Das heißt aber nicht, dass man der FPÖ Glück im nächsten Wahlgang wünschen darf. Die Ösis, die mit ihrer Vergangenheit noch nicht so richtig abgerechnet haben, kriegen jetzt die Chance, mit einem deutlichen Votum gegen einen FPÖ-Staatschef als Gesicht der Nation zu entscheiden. Gut für die Ösis, gut für Europa.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Die Fragen stellte Moritz Schuller.

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