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Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

Zeit-Herausgeber Josef Joffe sieht keine Chance für einen Waffenstillstand in Syrien und hält das TV-Duell Clinton/Trump am Montag für wahlentscheidend.

Allgemeines Händeringen über Syrien: Kann man denn gar nichts tun?
Da tut ja jemand was, die Russen, die gerade einen Flugzeugträger an die syrische Küste verlegt haben, und Assad, dessen Truppen sich um Waffenstillstände nicht scheren. Der Diktator von Damaskus hat eine neue Offensive gegen Aleppo gestartet. Derweil glaubt Obama an Waffenstillstände und wird deshalb seinen Einsatz nicht verstärken. Er will in seinen letzten Wochen keinen Krieg anzetteln, zumal die Russen die militärische Oberhand haben. Solche Kriege enden nicht im Waffenstillstand. Es wird gekämpft bis zum Sieg oder bis zur gegenseitigen Erschöpfung.

Erstes TV-Duell Clinton-Trump: Worauf kommt es an?
Trump hat ein Grundproblem. Kann er die Wähler überzeugen, dass er das Zeug zum Präsidenten hat, obwohl er nie ein Amt gehabt und deshalb nichts hinterlassen hat, woran ihn die Bürger messen könnten? Sie kennen ihn nur als unterhaltsamen und unberechenbaren Reality-TV-Star. Er respektiert weder Comment noch Grenzen. Folglich glauben nur 31 Prozent der Befragten, dass er das „richtige Temperament“ für die Präsidentschaft habe, im Vergleich zu 55 Prozent für Clinton. Sie wird versuchen, ihn als Durchgeknallten zu zeichnen und einen Wutanfall zu provozieren. Bleibt Trump cool und „präsidentiell“, wird er solche Attacken parieren und Clinton als korrupte Kandidatin des Status quo hinstellen. So könnte er das „Momentum“ auf seine Seite ziehen. Diese Debatte könnte die Wahl entscheiden.

Berlin hat gewählt. Ein Modell für Rot-Rot-Grün im Bund?
Berlin hatte schon mal Rot-Rot und Rot-Grün. Man kennt sich also, und deshalb ist Rot-Rot-Grün so wahrscheinlich wie die nächste Verschiebung von BER. Wie aber eine solche Koalition im Bund entstehen könnte, ist ein Rätsel. Bund und Berlin sind nicht vergleichbar. Merkel hat mehr Optionen als der Berliner SPD-Chef Müller. Sie könnte die SPD links liegen lassen und es mit Schwarz-Grün oder Schwarz-Grün-Gelb probieren. Auf der Lokalebene funktioniert vieles, was im Bund, vor allem in der Außenpolitik nicht läuft. Da müsste Ganzrot noch viel Kreide fressen.

Ein Wort zu Merkel: Tritt sie wieder an?
Na klar. Welchen Sinn hätte denn die Frontbegradigung in Sachen „Wir schaffen das“, wenn sie nicht die Unions-Rechte begöschen wollte? Schäuble ist kein Brutus; dem „Röschen“ fehlt der Rückhalt in der Partei, und Oettinger kann sich bis zum Dezember-Parteitag nicht offen aufbauen. Indes: Sie könnte einen brillanten Abgang inszenieren und die Nachfolge von Ban Ki Moon als UN-Chefin antreten.
Unwahrscheinlich ist die Präsidentschaft des Europäischen Rats, weil sie mit ihrer Euro- und Flüchtlingspolitik keine Fan-Gemeinde um sich versammelt hat.

Josef Joffe ist Herausgeber der „Zeit“. Die Fragen stellte Malte Lehming.

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