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Wahlsieger Boris Johnson.

© Lindsey Parnaby/REUTERS

Vier Fragen an Josef Joffe: Was macht die Welt?

Marx widerlegen, an sowjetische Traditionen erinnern und Trump schlagen: Antworten des Kolumnisten auf die Fragen des Tages.

Erdrutschsieg für Boris Johnson – ist letztlich vor allem Labour schuld?

Der Verlierer hat immer Schuld, und deshalb ist Jeremy Corbyn erledigt. Der überschlaue Parteichef hat weder Ja noch Nein zum Brexit gesagt, aber der war der Hauptfaktor. Warum sonst wären Labours ewige Hochburgen an die Tories gefallen? Diese Wahlkreise mit ihren sterbenden Industrien hätten besonders empfänglich sein müssen für Labours Wahlgeschenke: mehr Zuwendungen, mehr Verstaatlichung (Bahn, Internet). „Taking back control“ war den Leuten wichtiger als „schröpft die Reichen!“, was abermals Karl Marx widerlegt. Das (materielle) Sein bestimmt eben doch nicht das Bewusstsein.

Welche Rolle spielte Hündchen Dilyn, mit dem Johnson im Wahllokal erschien?

Dieser Jack Russell bewegte nur die Schlagzeilen. Hunde gehen in England seit jeher zur Wahl, neuerdings auch Pferde, Katzen, Rentiere und sogar eine Riesenschildkröte, was einfacher ist als in Deutschland. Als Wahllokale dienen Kneipen sowie Friseur- und Waschsalons. Am Wahltag wurde #dogsatpollingstations mehr als 45000-mal auf Twitter benutzt. Der Bürgermeister von London, Sadiq Khan (Labour), brachte auch seinen Hund mit und twitterte: „Luna says #VoteLabour.“ Ein Geheimnis muss die Forschung noch knacken: Wie hätten die Vierbeiner abgestimmt? Mit Pfotenabdruck auf dem Wahlzettel.

Der erschossene Georgier aus dem Kleinen Tiergarten war laut Wladimir Putin ein „Bandit“. Dann ist ja alles in Ordnung?

Selbstverständlich. Wenn die Deutschen den Staatsfeind nicht unschädlich machen, muss der lange Arm Putins her. Wie im Falle des russischen Ex-Spions Sergej Skripal, der in England von russischen Agenten vergiftet wurde. Wo kämen wir denn hin, wenn solche Leute dem Kreml die lange Nase zeigen können? „Kto kowo?“ – wer unterwirft wen? – galt schon für Lenin und Stalin. Diese Tradition muss Putin doch ehren, um seine Feinde auszuschalten. Die Kosten sind erträglich. Dann fliegen zwei Diplomaten raus, aber der Abschreckungseffekt wächst.

Ein noch nicht letztes Wort zum Thema „Impeachment“…

Der Justizausschuss des Unterhauses hat gerade die Staatsanklage gegen Trump beschlossen; mit seinem Demokraten-Übergewicht wird das gesamte Haus in dieser Woche folgen. Dann muss der Senat im Januar per Zweidrittelmehrheit einen Schuldspruch fällen, den die Republikaner abschmettern werden. Für die Menschen „da draußen im Lande“ ist das eine Realityshow, die nur in Washington Quoten bringt. In der jüngsten Umfrage steht es 5:4 gegen eine Verurteilung. Entscheiden werden die Wahlen. Derzeit liegen die Top-Dems – Biden, Warren, Sanders – mit sieben bis neun Punkten vor Trump.

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