zum Hauptinhalt

Politik: Vietnamesen in der DDR: Abtreibung oder Ausweisung

Bis zum siebenten Monat hatte Phuong Kollath ihre Schwangerschaft geheim gehalten. Täglich ging sie ihrer Schichtarbeit als Köchin einer Großküche im Rostocker Überseehafen nach.

Bis zum siebenten Monat hatte Phuong Kollath ihre Schwangerschaft geheim gehalten. Täglich ging sie ihrer Schichtarbeit als Köchin einer Großküche im Rostocker Überseehafen nach. Mit weiten Kleidern blieb ihr wachsender Bauch unbemerkt. "Nachts habe ich sogar alleine dort gearbeitet. Wenn mir da was passiert wäre...", so die Vietnamesin kopfschüttelnd. Das war 1987. Ein Kind zu bekommen, war für sie damals die einzige Möglichkeit, in der DDR bleiben zu dürfen. Sie hatte sich in einen Deutschen verliebt - und so etwas war weder bei den deutschen noch bei den vietnamesischen Behörden gern gesehen.

In einem Vermerk der zuständigen DDR-Stellen hieß es, dass Arbeit und Qualifizierung und nicht etwa das Soziale im Vordergrund bei den Vertragsarbeitern stehen müssten. Das bedeutete im Klartext: Wenn eine Vietnamesin schwanger wurde und nicht abtreiben wollte, wurde sie in ihre Heimat zurückgeschickt.

Der Hallenser Michael Feige stellt in seiner Untersuchung unter dem Titel "Vietnamesische Studenten und Arbeiter in der DDR und ihre Beobachtung durch das Ministerium für Staatssicherheit" fest, dass die Stasi alles versuchte, um engere Kontakte zwischen Deutschen und Vietnamesen zu unterbinden. Praktisch sei jeder der 60 000 Vietnamesen in der DDR bespitzelt worden, schreibt Feige in seinem Buch, das am Freitag in Rostock vorgestellt wurde.

Phuong Kollath kämpfte jahrelang um die Erlaubnis, in der DDR heiraten zu dürfen. "Ich war mir sicher, dass mir, wenn das Kind erst da ist, nichts passieren würde", sagt die 37-Jährige, heute Leiterin der deutsch-vietnamesischen Begegnungsstätte Dien Hong in Rostock. Der Aufenthalt der Vertragsarbeiter war für vier Jahre vorgesehen. Anschließend sollten sie wieder zurück in ihre Heimat gehen. "Für mich war es damals eine Auszeichnung, dass ich in die DDR durfte", erinnert sich Phuong, die 1981 nach Rostock kam. Sie war damals achtzehn und wollte Medizin studieren. Stattdessen sagte man ihr nach einem dreimonatigen Sprachkurs, dass sie Köchin für Gemeinschaftsküchen werden müsse.

Das Ministerium für Staatssicherheit arbeitete eng mit dem vietnamesischen Geheimdienst zusammen. Neben der Kontrolle politischer Aktivitäten sollten vor allem Schmuggel oder Heimarbeit unterbunden werden. Feige ist überzeugt, dass die eingeschränkten Kontakte zwischen Deutschen und Vietnamesen Neid und Hass, und damit ausländerfeindliche Tendenzen bei den DDR-Bürgern begünstigt hätten. Phuong Kollath hat dennoch viele gute Erinnerungen an jene Zeit. "Auch wenn wir oft als Außerirdische betrachtet wurden."

Renate Heusch-Lahl

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false