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Visa-Affäre: Ex-Botschafter erhebt Vorwürfe gegen Auswärtiges Amt

Die Visa-Erlasse des Auswärtigen Amtes haben eine intensive Prüfung von Anträgen an der deutschen Botschaft in Kiew eingeschränkt. Dies sagte ein früherer deutscher Botschafter am Montag im Visa-Untersuchungsausschuss.

Berlin (02.05.2005, 18:38 Uhr) - Das Auswärtige Amt hat eine intensive Prüfung von Visa-Anträgen an der deutschen Botschaft in Kiew durch seine umstrittenen Erlasse aus 1999 und 2000 eingeschränkt. Die Weisung vom März 2000, «im Zweifel für die Reisefreiheit» zu entscheiden, habe den Mitarbeitern einen Teil der Motivation für eine sorgfältige Prüfung genommen, sagte der frühere deutsche Botschafter in der Ukraine, Eberhard Heyken, am Montag im Visa-Untersuchungsausschuss in Berlin. Auch die Ex-Visastellen-Leiterin Klara Hoppmann betonte, der Erlass habe im täglichen Visa-Geschäft zu Problemen geführt.

Heyken, heute Leiter des OSZE-Büros in Minsk, wertete den Erlass als «politische Vorgabe» der Zentrale, die man als Botschafter habe hinnehmen müssen. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob Außenminister Joschka Fischer (Grüne) bei seinem Besuch am 23. Juni 2000 in Kiew auf die problematischen Erlasse angesprochen wurde. Auch an Berichte von Sicherheitsdiensten über Visa-Missbrauch konnte sich der Diplomat nicht erinnern. Nach Auffassung des CDU-Obmanns Eckart von Klaeden muss Fischer schon bei seinem Aufenthalt in Kiew von den Missbrauchs-Problemen erfahren haben.

Nach seinem Besuch veranlasste der Minister eine Aufstockung des Personals. Bei seiner Ausschuss-Vernehmung am 25. April hatte Fischer es als Fehler bezeichnet, das Problem in Kiew vor allem als «Personal- und Ressourcenproblem» gewertet zu haben. Der heutige Botschafter in Kiew, Dietmar Stüdemann, hatte in seiner Vernehmung im Visa-Ausschuss vor allem die Erlasslage für die Zustände in Kiew verantwortlich gemacht.

Im Zuge der Liberalisierung der Visa-Vergabe durch das Auswärtige Amt war die Botschaft Kiew in den Jahren 2000 bis 2002 von Anträgen praktisch überrollt worden. Im Spitzenjahr 2001 wurden allein in Kiew fast 300 000 Visa erteilt. Fischer hatte die dortigen Vorgänge in seiner Vernehmung vor einer Woche als «Sonderfall» bezeichnet. Nach Darstellung Heykens hatte es sich in Kiew rumgesprochen, dass an der deutschen Botschaft «besonders leicht» Visa zu bekommen seien. Die Erlasse hätten die Visa-Prüfung erheblich eingeschränkt.

So seien im Jahr 2000 an der deutschen Vertretung 70 Prozent aller Schengen-Visa erteilt worden. Während die Ablehnungsquote an den Botschaften Frankreichs und der Niederlande 2000 bei 25 Prozent gelegen habe, seien an der deutschen Botschaft von März 2000 an unter zwei Prozent der Visa abgelehnt worden. Heyken war von März 1996 bis August 2000 Botschafter in Kiew.

FDP-Obmann Hellmut Königshaus kritisierte, zwischen Botschaft, AA und Sicherheitsbehörden habe es offensichtlich keine Rückkopplung über den Visa-Missbrauch gegeben. Es seien Visa erteilt worden in völliger Unkenntnis der Berichte des Bundeskriminalamtes (BKA). Hoppmann bezeichnete die Zusammenarbeit mit Bundesgrenzschutz und BKA dagegen als gut. Die heute in Caracas tätige Diplomatin wies Vorwürfe «aufs Schärfste» zurück, die Probleme in Kiew seien auf Schlamperei zurückzuführen.

Zugleich widersprach sie einer Behauptung des Kölner Landgerichts, das AA habe zur Verhinderung ihrer Aussage in einem Schleuserprozess eine Morddrohung gegen sie erfunden. Bei ihrem Ehemann sei am 12. Juli 2002 in Kiew ein Drohanruf gegen sie eingegangen und sie habe zu keinem Zeitpunkt die Existenz dieser Drohung bestritten. (tso)

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