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Politik: Vizepräsident Al Gore widerspricht Bill Clinton: Kein Fall für Asyl

Jack Thompson ist Anwalt und Republikaner. Er lebt in Miami und glaubt, die Zukunft zu kennen.

Jack Thompson ist Anwalt und Republikaner. Er lebt in Miami und glaubt, die Zukunft zu kennen. "Die Demokraten können Florida, Texas, Kalifornien und alle anderen Bundesstaaten mit vielen Immigranten auf Jahre hinaus vergessen", sagte er. So sähe sich Thompsons Partei gerne: Als eigentlicher politischer Nutznießer des Familien-Dramas um Elian. Zu brachial habe die Clinton-Regierung den Jungen aus der Nestwärme der Exil-Familie gerissen, zu sehr habe sich Clinton als politischer Erfüllungsgehilfe Fidel Castros präsentiert, glaubt Thompson. Lateinamerikaner oder Asiaten, die aus undemokratischen Verhältnissen in die USA gekommen seien, würden es Clintons Partei nie vergessen, dass sie gewaltsam ein Kind abholen ließ, dessen Mutter die Freiheit mit ihrem Leben bezahlte.

Es gibt Indizien, die dieser Deutung widersprechen. Amerikas Umfrageforscher haben ermittelt, dass 57 Prozent der US-Bürger die erzwungene Übergabe Elians an seinen Vater für richtig halten. Nur 37 Prozent geben an, Anti-Kommunismus sei wichtiger als Familienbande. 40 Prozent haben den Demoskopen allerdings gesagt, der Einsatz sei zu brutal verlaufen - auch wenn niemand verletzt wurde.

Machtmissbrauch und Lügen sind die Vorwürfe, die Clinton und seiner Justizministerin Reno entgegenschwappen. Den Vorwurf der Lüge erhebt am lautesten die Exil-Familie, die Reno vorwirft, sie bei den letzten Verhandlungen hintergangen und ihr Wort gebrochen zu haben, Elian werde nicht gewaltsam abgeholt. Reno hatte sich freilich nie unmissverständlich auf eine Verhandlungslösung festgelegt.

Alle drei Präsidentschaftskandidaten haben Clinton und Reno kritisiert. Dass der Republikaner George W. Bush dies tut, ist klar: "Unsere Nation ist eine der Gesetze, nicht der Gewehre. Sorgerechtsstreitigkeiten werden bei uns in der Ruhe eines Gerichtssaales gelöst, nicht durch den Terror von nächtlichen Überfällen." Ähnlich äußerte sich der Fraktionsgeschäftsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, faktisch der mächtigste Mann im Kongress und ein Texaner wie Bush. "Wie demonstriert denn bitte das Wedeln mit einem Gewehrlauf im Gesicht eines Sechsjährigen hier oder international, dass wir das Prinzip der Freiheit respektieren?", fragte Tom DeLay. Dass der Kandidat der Reformpartei, Ex-Republikaner Pat Buchanan, sich ähnlich geäußert hat, ist bei seinen antikommunistischen und isolationistischen Grundpositionen ebenfalls nicht sonderlich überraschend.

Heikel ist die Lage für Al Gore, den Vizepräsidenten und Nachfolge-Aspiranten. "Ich glaube, dass dieses Thema von Familiengerichten hätte behandelt werden sollen oder bestenfalls dadurch, dass die gesamte Familie zusammenkommt", sagte er. Letzterem wird kaum jemand widersprechen. Dass es sich um einen Sorgerechtsstreit handele, der vor ein Familiengericht gehöre, ist indes eine Auffassung, die der Clintons und Renos diametral entgegensteht. Justiz und Einwanderungsbehörde (INS) haben stets betont, es drehe sich allein um eine ausländerrechtliche Frage, bei der zu entscheiden sei, ob ein Sechsjähriger gegen den Willen seines Vaters einen Asylantrag stellen - oder von anderen stellen lassen - könne.

"Würde Clinton erneut antreten, hätte er dasselbe wie Gore gesagt", meinte am Sonntag Bob Novak von der "Chicago Sun-Times". Gore muss in der Mitte manövrieren, weil er im November Florida gewinnen will. Dort sitzen sehr viele Delegierte für die Präsidentschaftswahl. Es könnten die entscheidenden Stimmen sein.

In Miami haben viele Demonstranten die US-Flagge aus Protest gegen das Ergreifen Elians umgedreht, andere haben sie mit schwarzen Trauerbinden zusammengeschnürt. Derweil hat die Chefin des INS, Doris Meissner, eingeräumt, dass es an einem Umstand keinen Zweifel gebe: "Dies war ein furchterregender Vorfall!"

rvr

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