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Gefangene Herero während des Herero-Aufstandes in der deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika (Namibia) 1904.

© Keystone

Völkermord an den Herero: Von der deutschen Schuld

Nach 112 Jahren will die Bundesregierung den Völkermord an den Herero und Nama anerkennen - es hat lange gedauert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dagmar Dehmer

In der zentralen Gedenkstätte in Kigali wird der Völkermord an den Herero und Nama im heutigen Namibia ganz selbstverständlich als der erste Genozid des 20. Jahrhunderts präsentiert. Es geht dort vor allem um den Völkermord an den Tutsi durch die Hutu in Ruanda 1994. Aber direkt im Anschluss an das Verbrechen des Deutschen Reichs erinnert die Gedenkstätte in Ruandas Hauptstadt an den Völkermord an den Armeniern. Die Deutschen kommen noch ein zweites Mal vor: Auch der Völkermord an den Juden wird dort erwähnt.

Es hat 111 Jahre gedauert, bis ein Sprecher des Auswärtigen Amts vor einem Jahr sagte: „Der Vernichtungskrieg in Namibia von 1904 bis 1908 war ein Kriegsverbrechen und Völkermord“. Nun wiederholte das Ministerium diese Aussage in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken zum ersten Mal auch schriftlich. Noch 2012 war ihr beschieden worden: „Wenn der Begriff als völkerrechtlicher Terminus verwendet wird, also mit seinen juristischen Implikationen, gilt, wie die Bundesregierung wiederholt ausgeführt hat, dass die Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes nicht rückwirkend angewendet werden kann.“ Und weiter: „Bewertungen historischer Ereignisse unter Anwendung völkerrechtlicher Bestimmungen, die im Zeitpunkt dieser Ereignisse weder für Deutschland noch irgendeinen anderen Staat in Kraft waren, werden von der Bundesregierung nicht vorgenommen.“ Die deutsche Position unterschied sich kaum von der des türkischen Staatspräsidenten in Bezug auf den Völkermord an den Armeniern.

Selbst Joschka Fischer sprach nicht von einem Völkermord

Selbst der grüne Außenminister Joschka Fischer brachte es nicht fertig, den Völkermord als solchen zu benennen. Stattdessen hat Deutschland seit der Unabhängigkeit Namibias 1990 beträchtliche Summen in die Entwicklung des Landes investiert. Seit 2007 stellte Berlin zudem 20 Millionen Euro für eine Sonderinitiative zur Versöhnung bereit. Das geht auf den ersten Versuch einer Entschuldigung zurück, den die damalige Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul 2004 in Namibia unternahm. Bei den Feiern zum 100. Jahrestag des Herero-Aufstands sagte sie: „Die damaligen Gräueltaten waren das, was heute als Völkermord bezeichnet würde – für den ein General von Trotha heutzutage vor Gericht gebracht und verurteilt würde.“

Derzeit verhandelt der ehemalige CDU-Abgeordnete Ruprecht Polenz im Auftrag der Bundesregierung mit der namibischen Regierung über eine gemeinsame Erklärung, die eine Anerkennung der deutschen Schuld sein soll. Eine Entschädigung für die Nachkommen der Herero, die General Lothar von Trotha in die Wüste gejagt und von den Wasserstellen ferngehalten hatte, ist nicht vorgesehen. Auch die Nachkommen der Nama, die mit den Herero in Konzentrationslagern litten und in großer Zahl starben, sollen nicht direkt entschädigt werden. Sie fühlen sich von Namibias Regierung aber nicht ausreichend vertreten und sind bei den Gesprächen auch nicht dabei.

Berlin kann nicht allein mit den Vertretern der beiden Völker sprechen. Aber dabei sein sollten sie wenigstens. Sonst könnte der Schritt, nach 112 Jahren endlich den ersten Genozid durch die Deutschen anzuerkennen, am Ende bei den Nachfahren der Opfer gar nicht richtig ankommen.

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