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Politik: Völkerrecht – für die USA à la carte

Von Ruth Ciesinger Richard Goldstone spricht aus, was viele denken. Die USA, sagt der ehemalige Chefankläger beim Jugoslawien-Tribunal in Den Haag und südafrikanischer Verfassungsrichter, verhalten sich beim internationalen Recht mehr und mehr wie in einem Selbstbedienungsrestaurant.

Von Ruth Ciesinger

Richard Goldstone spricht aus, was viele denken. Die USA, sagt der ehemalige Chefankläger beim Jugoslawien-Tribunal in Den Haag und südafrikanischer Verfassungsrichter, verhalten sich beim internationalen Recht mehr und mehr wie in einem Selbstbedienungsrestaurant. Was gefällt, wird akzeptiert, was nicht schmeckt, boykottiert. Dass die Supermacht über den Entscheid zum UN-Einsatz in Bosnien den seit Montag bestehenden Internationalen Strafgerichtshof (ICC) torpedieren will, hält er aber nicht nur für extrem gefährlich. Er sieht keinen nachvollziehbaren Grund dafür.

Internationales Recht, referiert Goldstone auf Einladung der nordischen Botschaften, beruht auf Gegenseitigkeit. Beanspruchen die USA Sonderrechte, unterhöhle das die Bereitschaft anderer Staaten, die sich ihrerseits an die Genfer Konventionen halten. Dabei sind die Amerikaner die Vorreiter des Völkerrechts. Auf ihr Betreiben kam es nach 1945 zu den Nürnberger Prozessen, ohne sie wären in jüngster Zeit weder das Jugoslawien-Tribunal noch der Gerichtshof über die Verbrechen in Ruanda zustande gekommen.

Doch spätestens seit den Verhandlungen zum ICC in Rom war klar, dass die Amerikaner den Strafgerichtshof nur in abgeschwächter Form akzeptieren würden. Dies habe sich auch positiv ausgewirkt, sagt Goldstone und verweist auf die Regel, dass der ICC jetzt nur eingreifen kann, wenn der jeweilige Fall nicht im Herkunftsland verfolgt wird. Außer, der Gerichtshof urteilt, dass es sich dabei um eine Scheinprozedur gehandelt habe. Das müssten verschiedene Gremien beschließen, deshalb sieht Goldstone die Bedenken der Amerikaner, dass ein Chefankläger US-Soldaten willkürlich vor den ICC zerrt, „an der Grenze zur Lächerlichkeit“.

Die Zahl der zivilen Kriegsopfer sei von sieben im ersten Weltkrieg auf über 90 Prozent zum Beispiel in Vietnam gestiegen. Anders beim Kosovo-Einsatz der Nato, wo Militär-Anwälte an der Auswahl der Ziele auch unter dem Aspekt der juristischen Vertretbarkeit beteiligt waren. Für den Südafrikaner ein Beleg für die wachsende Bedeutung des internationalen Rechts. Deshalb drängt er die übrigen Nationen im UN-Sicherheitsrat, sich nicht von den USA einschüchtern zu lassen, sondern es auf einen Rückzug der amerikanischen Truppen beim Friedenseinsatz in Bosnien ankommen zu lassen. Goldstone glaubt daran: „Bleiben wir stark, dann kommen die Amerikaner bald mit an Bord.“

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