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Politik: Völlig neu – im Ansatz

CDU und CSU bringen zur Steuerreform einen Formelkompromiss hervor. Und interpretieren ihn jeweils anders

Von Robert Birnbaum

Friedrich Merz kann kaum zufrieden sein mit dem Beschluss, aber er hat sich offenbar entschlossen, das Beste daraus zu machen. „Steuerpolitik 21“ steht über dem knapp zweiseitigen Papier über „gemeinsame Grundsätze“ der Unionsparteien zur Steuerreform. „CDU und CSU fordern ein neues Steuerrecht“, hat eine Spitzenrunde mit den Parteichefs Angela Merkel und Edmund Stoiber in der Nacht zu Montag formuliert, und: „Deutschland braucht einen völligen Neuansatz (. . .) mit dem Ziel einer massiven Vereinfachung des Steuerrechts und der Senkung der Steuerlast.“ So geht es weiter, aber im Grunde reichen die zwei Sätze, um zu zeigen, was da vereinbart worden ist: ein Wort für Wort gewogener Formelkompromiss.

Leicht überspitzt gesagt: Die Unionsführung bekundet den Willen, sich auf ein Steuerkonzept zu einigen. Sie verrät bloß weiter nicht, auf welches. Merz, an dem Treffen selbst so wenig beteiligt wie sein CSU-Gegenpart, der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU), interpretiert das Werk am Montag also kurzerhand in seinem Sinne: Er freue sich, dass die Notwendigkeit eines „radikalen Systemwechsels“ jetzt auch Meinung der CSU geworden sei, sagt der Verfasser des radikalen Drei-Stufen-Steuermodells der CDU. Die Grundsatzentscheidung sei gefallen, „und die ist gut“. In gleichem Sinne bewertet Merkel die Abmachung. Das Wort vom „Neuanfang“, so Merkel, „ist jetzt von beiden Seiten so ausgesprochen“. Auch andere CDU-Teilnehmer der Runde sehen darin einen Fortschritt: Edmund Stoiber habe sich erstmals bewegt.

Tatsächlich benutzt nun auch CSU-Chef Edmund Stoiber die Formel von einem „völligen Neuansatz“ im Steuersystem. Selbst das Nein der CSU zu Merz’ Stufenkonzept klingt nicht mehr ganz so kategorisch: „Wir sind da offen.“ Freilich folgt nach wie vor der Nachsatz: „. . . aber es muss finanzierbar sein.“ Doch das ist der zentrale Einwand, mit dem die Bayern bisher Merz’ Stufenmodell verworfen und ihr Festhalten am linear-progressiven Tarif begründet haben. Und begründen: „Stufen sind teuer“, sagt Stoiber. „Darin liegt für mich das Problem.“ Woraus man den Verdacht ableiten kann: Die CSU interpretiert den Grundsatzbeschluss anders als Merz, nämlich ebenfalls in ihrem Sinne.

Merkel will sich denn auch nicht auf Merz’ Stufentarif als die einzig mögliche Lesart für „völligen Neuansatz“ festlegen lassen. Doch hält sie fest, zwischen Neuanfang und Weitermachen im heutigen System gebe es „keine Grauzonen“, sondern nur ein Entweder-oder. Ob das die CSU genauso liest, werden Gespräche zwischen Merz und Faltlhauser zeigen. Viel einfacher werden die nach Einschätzung selbst in der CDU durch den Beschluss allein noch nicht. Einen „Beginn des Findens eines gemeinsamen Nenners“ nennt ein CDU-Präsidiumsmitglied das Papier.

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