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Angela Merkel und Volker Kauder 2018.

© REUTERS/Arnd Wiegmann

Kauder contra Brinkhaus: Bei der Wahl des Fraktionschefs geht es um die Kanzlerin

Der Merkel-Vertraute Volker Kauder hat bei der Wahl des Unionsfraktionschefs erstmals einen Gegenkandidaten. Es könnte ein Tag des Zorns werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Treue ist an sich ein schöner Charakterzug, doch es gibt Momente, da wird sie zum Problem. Volker Kauder steht als Fraktionsvorsitzender der Union fest an Angela Merkels Seite, seit sie das erste Mal Kanzlerin wurde. Wenn es nach ihr und ihm geht, bleiben sie ein Paar, bis sie demnächst beide ausscheiden. Ob es weiter nach ihr gehen sollte, ist allerdings mittlerweile für viele Abgeordnete von CDU und CSU eine offene Frage; und die allseitigen Tölpeleien im Fall Maaßen haben die Zweifel nicht vermindert. Die Neuwahl des Fraktionschefs könnte zum Tag des Zorns geraten.

Volker Kauders Konkurrent Ralph Brinkhaus hat kein Profil

Dass Kauder mit dem Trauerspiel um den Verfassungsschutzchef ausnahmsweise nichts zu tun hatte, spielt dabei so wenig eine Rolle wie der Umstand, dass er einen Gegenkandidaten hat. Der Fraktionsvize Ralph Brinkhaus verfügt weder über Hausmacht noch über nennenswertes Charisma oder ein alternatives Programm. Wer an diesem Dienstag Brinkhaus ankreuzt, meint nicht ihn, sondern Kauder, also Merkel.

Kauder selbst hat in den 13 Jahren natürlich auch ein paar Leute vergrätzt; er wusste, weshalb er sich im letzten CDU/CSU-Gefecht über die Flüchtlingspolitik betont unparteiisch verhalten hat. Aber schon die Klage, der 69-Jährige liefere keine Impulse und lasse zu selten zu, dass die Fraktion zur eigenständigen Kraft werde, weist über die Person hinaus.

Wann ist der richtige Moment, die Partei für die Zeit nach Merkel aufzustellen?

Denn dahinter steht die Frage, wann der Moment gekommen ist, die Union für die Zeit nach Merkel aufzustellen. Vor einiger Zeit fand ein kleiner Kreis von CDU- und CSU-Abgeordneten, dass ein neuer Fraktionschef als Vorhut der Erneuerung doch ganz nützlich sein könnte. Der Putsch erstarb im Ansatz. Bei näherer Überlegung ging den Revoluzzern auf, dass ein Anti-Merkel-Fraktionschef derart zwischen allen Stühlen landen kann, dass er sich nach drei Jahren für höhere Aufgaben erledigt hat – dass er aber, wenn er wider Erwarten reüssiert, anderen den Weg versperren könnte.

Kurz: Niemand wollte jetzt schon eine erste Vorentscheidung über Merkels Nachfolge riskieren. Für Kauder war das nur bedingt eine gute Nachricht. Denn der konturlose Brinkhaus wäre keine Vorentscheidung. Er verkörpert bloß die Ohrfeige in Reinform.

Der Fall Maaßen könnte Volker Kauder retten

Was Merkels Mann trotzdem vor dem Fall retten könnte, ist paradoxerweise der Fall Maaßen. So groß die Empörung der Wähler und ihrer Volksvertreter über das Dilettantentum ihrer Anführer – Horst Seehofer eingeschlossen – ist, so sehr müssen sich die Abgeordneten überlegen, ob sie jetzt die nächste Chaos-Runde einläuten wollen.

Merkel hat sich zum ersten Mal in ihrem politischen Leben ohne jedes Wenn und Aber entschuldigt. Die Koalition gelobt Besserung. Man muss als Bürger daran nicht glauben. Für den Abgeordneten als Mitspieler stellt sich die Frage aber anders: Will ich diese Gelöbnisse zum Neustart unterstützen oder erkläre ich der Kanzlerin, der Koalition und der Reue das Misstrauen?

So könnte Kauder ein letztes Mal davonkommen, freilich aus deprimierenden Gründen: weil er den einen als Platzhalter mit Verfallsdatum bequem ist, und weil alle zusammen befürchten müssen, dass sie nicht stärker werden, wenn sie die Kanzlerin schwächen.

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