zum Hauptinhalt

Volksverdummung: Atomlobby verlangt neue Verhandlungen

Die Atomlobby hat bei ihrer Jahrestagung am Dienstag in Dresden erneut einen Ausstieg aus dem Ausstieg der Atomenergie gefordert. Die kaum regelbaren Atomkraftwerke sollen demnach kein Gegensatz zu erneuerbaren Energien sein, welche aber nach Expertenmeinung als Ergänzung flexible Kraftwerke benötigen.

Berlin - Der Chef des Deutschen Atomforums, Walter Hohlefelder, will den Ausstiegsbeschluss aus dem Jahr 2000 neu verhandeln. Bei der Jahrestagung Kerntechnik in Dresden sagte der frühere Eon-Manager, der damals den Atomkonsens mit der rot-grünen Regierung unterzeichnet hatte: „Die Kernkraftwerksbetreiber sind grundsätzlich einverstanden, einen politischen Preis für die Laufzeitverlängerung zu zahlen. Ab dem Tag der Bundestagswahl 18 Uhr sind wir bereit, unsere Vorschläge auf den Tisch zu legen.“ Gleichzeitig warb Hohlefelder für eine Allianz zwischen erneuerbaren Energien und Atomenergie. „Erneuerbare und Kernenergie sind kein Gegensatz“, sagte Hohlefelder. „Beide haben ausreichend Platz im Energiemix, ohne sich in die Quere zu kommen.“ 

Daran hat Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ebenso grundsätzliche Zweifel wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) oder der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE). DUH-Geschäftsführer Rainer Baake bezeichnete den Vorschlag Hohlefelders als „scheinheilig“. Der Saarbrücker Professor Uwe Leprich spricht von einem „Systemkonflikt“. Je mehr Wind- oder Solarstrom ins Stromnetz eingespeist werde, desto wichtiger seien flexible Kraftwerke, mit denen das unterschiedliche Stromangebot aus diesen Quellen ergänzt werden kann. Atomkraftwerke seien jedoch „extrem unflexibel und lassen sich kaum steuern“. Deshalb ist Leprich auch nicht sonderlich überrascht, dass die Atomkonzerne EDF und Eon, die sich in Großbritannien um den Bau von neuen Nuklearanlagen bewerben, die britische Regierung davor gewarnt haben, ambitionierte Ziele für den Anteil erneuerbarer Energien im Strommix anzustreben. In mittlerweile wieder aus dem Netz gelöschten Stellungnahmen im Anhörungsverfahren für die neue Nuklearstrategie auf der Insel bat EDF die britische Regierung, den Anteil erneuerbarer Energien nicht auf mehr als 20 oder 25 Prozent wachsen zu lassen, Eon sieht die Grenze bei 30 Prozent erreicht. Leprich sagt: „Atomkraftwerke können sich nur rechnen, wenn sie 7500 bis 8000 Stunden pro Jahr laufen.“ Sie hoch- oder runterzufahren, je nachdem, ob viel oder wenig Windstrom ins Netz fließt, ist technisch schwierig und wäre absolut unwirtschaftlich.

Rainer Baake kommentiert diesen Sachverhalt mit den Worten: „Hohlefelders Aufforderung zum friedlichen Miteinander von Atomkraft und Erneuerbaren erfüllt den Tatbestand der Volksverdummung.“ Im Übrigen, findet Baake mit Blick auf den Atomkonsens, wäre es „hilfreich, wenn sich Walter Hohlefelder und andere ehrbare Kaufleute an die von ihnen unterzeichneten Vereinbarungen halten würden“. Sigmar Gabriel interpretiert das Angebot als Panikreaktion der Atomwirtschaft. Jahrelang habe die Atomlobby die erneuerbaren Energien als Spielerei abgetan, sagte er. „Wer wieder in die Atomenergie einsteigen will, gefährdet hunderttausende zukunftssichere Jobs.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false