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Politik: Voll auf Sicherheit

Großbritanniens Innenminister will die Anti-Terror-Gesetze verschärfen – die Kritik an seinem Kurs hat er satt

Der britische Innenminister braucht Mitarbeiter, die sich in der islamistischen Szene auskennen. So sucht er derzeit per Zeitungsanzeige 1000 mittelgroße, unauffällige Personen mit Führerschein. Urdu und Arabisch Sprechende bevorzugt. Doch mehr noch als diese zusätzlichen Spione, mit denen der Inlandsgeheimdienst MI 5 wieder auf die Personalstärke des Zweiten Weltkriegs gebracht werden soll, braucht David Blunkett neue Ideen.

Am Mittwoch stellte er ein 61 Seiten langes Diskussionspapier zur Terrorismusbekämpfung vor und räumte vor allem eines ein: seine Ratlosigkeit. „Ich habe es satt, dass die Debatte von Menschenrechtsaktivisten und Rechtsanwälten bestimmt wird, die nur schimpfen, selbst aber keine Lösungen haben.“ Der Minister will hören, wie Freiheit und Sicherheit in der offenen Gesellschaft vereinbart werden können. Aber das ganze Volk, nicht nur die Juristen, solle sich an der Debatte beteiligen – woraufhin Blunkett das Volk sogleich mit einer erneuten Warnung einstimmte: Ein Terroranschlag im Vereinigten Königreich sei „unvermeidlich“ und werde vermutlich in Form eines Selbstmordattentats erfolgen. „Dagegen sind Verfolgung und Bestrafung mit den herkömmlichen juristischen Methoden sinnlos.“

In den letzten Tagen hatte Blunkett bereits ein paar Vorschläge gemacht. In der Polizeiakademie im indischen Punjab forderte der Minister in Turban und farbige Tücher gekleidet Prozesse unter Ausschluss der Öffentlichkeit, mit Richtern und Verteidigern, die zum Stillschweigen über die vorgelegten Beweise verpflichtet würden. Man könnte die Anforderungen an die Beweise verringern, schlug er vor, so dass statt handfester Tatbeweise schon die „Wahrscheinlichkeit“ eines Verbrechens genügen würde – also eine Art Vorbeugehaft.

Unter Blunketts Federführung gab sich das Vereinigte Königreich nach dem 11. September scharfe neue Antiterrorgesetze, nach deren Bestimmungen inzwischen 544 Personen verhaftet worden sind. Für die drakonischste Maßnahme, die Ausländerinternierung ohne Anklage, musste Großbritannien die europäische Menschenrechtskonvention übergehen. 16 Ausländer wurden ohne Anklage im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh hinter Schloss und Riegel gebracht. Wie er zudem mit den fünf Guantanamo-Häftlingen verfahren will, die in den nächsten Wochen aus den USA zurückkehren, ist unklar. Da sie Briten sind, gelten die Internierungsparagraphen für sie nicht.

Das Terrorismusgesetz muss jährlich vom Parlament bestätigt werden, am Mittwoch war die Debatte. Doch im November 2006 läuft es aus. Blunkett will es möglichst sogar vorher ändern – und macht die Terrorismusbekämpfung so zum Wahlkampfthema.

Matthias Thibaut

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