zum Hauptinhalt
Angela Merkel und Armin Laschet vor dem Ständehaus in Düsseldorf

© Sascha Schuermann/AFP

Vom bayerischen Schloss in rheinischen Parlamentsbau: Warum die Kanzlerin nun auch den NRW-Ministerpräsidenten besucht

Erst stattete Angela Merkel dem Bayern Markus Söder einen Besuch ab, nun ist NRW-Ministerpräsident Armin Laschet an der Reihe. Ein Kontrastprogramm.

Von Robert Birnbaum

Die Zeiten sind so lange noch nicht her, dass Kanzlerkandidaten der Union in spe sich von der Kanzlerin geflissentlich fern hielten. Corona hat das gründlich geändert. Angela Merkel glänzt in den Umfragen wie noch nie in ihren fast 15 Jahren im Amt, und präsumptive Nachfolger wetteifern darum, dass von dem Glanz etwas auf sie abfalle.

Vor vier Wochen machte Markus Söder den pompösen Auftakt, als er Merkel ins Schloß Herrenchiemsee einlud. Am Dienstag ist Armin Laschet an der Reihe.

Der NRW-Chef geht die Sache bescheidener an. Sein Landeskabinett begrüßt die Kanzlerin zur Feier des Tages nicht in im Schloss, sondern in einem ehemaligen Parlamentsgebäude.

Das Düsseldorfer Ständehaus war früher der Sitz des preußischen Provinziallandtags. Heute zeigt hier die Kunstsammlung NRW ihre zeitgenössischen Künstler. 

Ein Kontrast zu Söders barocker Inszenierung

Symbolisch steckt darin schon mal ein Kontrastprogramm zu Söders barocker Inszenierung; und weil der Merkel-Besuch ja vor allem symbolischen Zwecken dient, ist das sicher kein Zufall: dort der feudale Bayernherrscher, hier am Rhein der moderne Bürgerliche. 

Dass Laschet seinen Gast anschließend zur alten Zeche Zollverein führt, passt ins geplante Bild. Das rostige Unesco-Weltkulturerbe erinnert an die großen Tage des Ruhrgebiets, geboten wird der Kanzlerin dazu ein Einblick in die „Ruhr-Konferenz“, ein Aufbauprogramm der Landesregierung für die mit Abstand größte Problemregion in ganz Westdeutschland. Mögen sie in Bayern in altem Glanz prunken, heißt das Symbol – wir rackern.

Auf einer gesprayten Riesenleinwand wird die Kanzlerin im Dialekt begrüßt: „Hömma, schön datte hier bist!“ Hömma, für Pottfremde, heißt „Hör mal“. 

Laschet muss sich natürlich trotzdem hinter vorgehaltener Hand allerlei Spott anhören dafür, dass er im unerklärten Rennen gegen den CSU-Chef schon wieder nur Zweiter ist. Andererseits – beim Tag von Herrenchiemsee fragte sich hinterher selbst mancher Söder-Fan, ob der Bayer nicht zu dick aufgetragen hatte mit Fähre und Kutschfahrt und Spiegelsaal. Und seit der peinlichen Panne mit überhastete Urlaubertests blättert auch am Standbild des Corona-Helden aus München ein bisschen der Lack.

Laschet nutzt die Gelegenheit zu einer Imagekorrektur

Laschet nutzt seinerseits die Gelegenheit zu einer Imagekorrektur. Bisher galt er im Kreis der Ministerpräsidenten als oberster Lockerer. Doch noch bevor er die Kanzlerin kurz nach Mittag am Kaiserteich begrüßt – mit Maske und Ellenbogengruß – setzt er sich angesichts der steigenden Corona-Zahlen für schärfere Schritte ein. „Wenn Infektionszahlen sinken, müssen Grundrechtseingriffe zurückgenommen werden – wenn Infektionszahlen steigen, müssen Schutzvorkehrungen verstärkt werden“, lässt Laschet sich zitieren. 

Dass NRW als bisher einziges Bundesland Masken im Schulunterricht vorschreibt, war schon ein erster Hinweis auf den Kurswechsel. Das alte Image stört nämlich inzwischen. Es passt auch nicht zu der Aufstellung, in der Laschet sich um den CDU- Vorsitz bewirbt. Sein Co-Partner, der Gesundheitsministerin Jens Spahn, geht schon von Amts wegen Merkels vorsichtigen Kurs mit. Erst am Montag im CDU-Präsidium hatte die Kanzlerin angesichts steigender Infektionszahlen vor einem „Desaster“ gewarnt.

[Wenn Sie alle aktuellen politischen Entwicklungen live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple-Geräte herunterladen können und hier für Android-Geräte.]

Spahn trat seinerseits am Montagabend noch einmal allen Mutmaßungen entgegen, er könnte das Bewerber-Duo mit Laschet aufkündigen und sich selbst um den CDU-Vorsitz bewerben. Er tat das im NRW-Landesvorstand der Christdemokraten. Amtlicher gehts nicht. 

Die Woche fängt also nicht schlecht an für Laschet, und das sieht man dem rheinischen Gemütsmenschen auch an, als er am Nachmittag mit der Kanzlerin vor die Presse tritt. Er wiederholt seinen neuen Programmsatz zum Coronaschutz, sie ihre Warnung: „Wir stehen mitten in der Pandemie. Das Virus ist da.“

Wie der NRW-Chef plädiert sie für ein wieder verstärktes gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern. Bei allem Respekt vor dem Föderalismus, sagt Merkel, erwarteten die Menschen bei vergleichbaren Problemlagen eine „konsistente Betrachtungsweise.“ Dass NRW bei Maskenverstößen etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln mit ungewöhnlich harten Strafen durchgreifen will, findet Merkel folgerichtig gut: Wenn sich alle an die Regeln hielten, müsse man nicht die Zügel anziehen, aber daran halten müssten sie sich eben.

Hält Merkel Laschet für kanzlerfähig?

Dann würdigt sie noch rasch Laschets Besuch im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos Anfang August, bevor ein paar Fragen gestellt werden. Ob sie sich denn angemessen empfangen fühle im Vergleich zum Besuch bei Söder, versucht einer zu sticheln. Och, sie sei „ein Mensch, der sich an ganz verschiedenen Dingen erfreuen kann“, gibt Merkel zurück, an bayerischen Schlössern genauso wie an rheinischen Parlamentsbauten mit moderner Kunst.

Und dann kommt die Frage, die kommen musste: Ob sie Laschet für kanzlerfähig halte? Merkel sagt ihren Standardsatz: In ihre Nachfolge mische sie sich nicht ein. Um es dann doch zu tun. Sie habe immer gesagt, wer CDU-Vorsitzender sei, müsse auch bereit und fähig sein zur Kanzlerschaft. Und wer das größte Bundesland regiere in einer Koalition mit der FDP – der bringe schon mal etwas mit: ein „Rüstzeug, das Gewicht hat.“ 

Zur Startseite