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Politik: Vom eigenen Büro zum Hilfssachbearbeiter

Ein Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag hört zwangspensionierte Steuerfahnder an

Vor dem Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags, der seit zwei Jahren die umstrittene Zwangspensionierung von vier ehemaligen Steuerfahndern untersucht, haben jetzt zum ersten Mal Betroffene ausgesagt. Die Beamten hatten 2001 gegen eine Amtsverfügung protestiert, mit der nach ihrer Auffassung Steuersünder geschont werden sollten. Zwei Jahre später wurde ihr Fahndungsteam aufgelöst. Bei einer Neustrukturierung wurden sie in minderwertige Positionen zwangsversetzt, nachdem sie mit einem Brief an den damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch ( CDU) gegen die ihrer Meinung nach unhaltbaren Zustände in der Behörde protestieren wollten.

„Danach begann für mich der Absturz“, berichtet sichtlich betroffen der ehemalige Steuerfahnder Heiko Feser, 42, den Abgeordneten. Obwohl er damals eigentlich in ein anderes Steuerfahnderteam habe wechseln sollen – „man hatte mir schon eine Zimmernummer mitgeteilt“ – sei er kurzfristig als „Hilfssachbearbeiter“ dem Bereich Körperschaftssteuer zugewiesen worden. Offizielle Begründung: Es gebe einen Überhang an Steuerfahnderstellen. Als dann allerdings sein ehemaliger Dienstposten neu ausgeschrieben worden sei, habe ihn das „bösgläubig“ gemacht, so Feser. Vorher sei er Steuerfahnder mit Gestaltungsspielraum, Zeichnungsberechtigung und eigenem Büro gewesen, jetzt Hilfssachbearbeiter, im internen Telefonverzeichnis nur noch als „N.N.“ aufgeführt, ohne eigenen Computer, ohne Schreibtisch, nicht mal einen Schlüssel für die Personaltoilette habe er bekommen. Diese Situation habe ihn krank gemacht. Mit gerade mal 38 Jahren sei er als „verrückt“ abgestempelt und gegen seinen Willen in den Ruhestand gemobbt worden, zieht Feser Bilanz.

Ähnlich sieht es seine Ehefrau und Kollegin, Tina Feser, 40. Sie habe sich als Personalrätin für Kollegen eingesetzt, die nach ihrem Protest gegen die umstrittene Amtsverfügung versetzt worden seien. Auch ihre Umzugskisten mit der neuen Dienstadresse seien bereits gepackt gewesen, als sie plötzlich und überraschend einer neuen Dienstgruppe „Service Recht“ zugeteilt worden sei. Die kurzfristige Umsetzung sei mit der Dringlichkeit der Aufgaben begründet worden. Allerdings habe das neue Team in den ersten drei Monaten nur lächerlich wenig Arbeit zugewiesen bekommen. „Archipel Gulag“ sei ihre Dienststelle im Behördenjargon genannt worden, weil dort missliebige Mitarbeiter versammelt worden seien. Marco Wehner, 40, wurde erst 2009 in den Ruhestand versetzt. Damals war bereits bekannt, dass die Qualität der psychiatrischen Gutachten – Grundlage der vier Pensionierungen – zweifelhaft war. Nach einem 45-minütigen Gespräch habe der Arzt das vernichtende Urteil – „verrückt“ – über ihn gefällt, so formuliert es einer der Betroffenen.

Die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke sehen es als erwiesen an, dass in der hessischen Finanzverwaltung selbstbewusste Beamte von Vorgesetzten systematisch gemobbt wurden. Die Regierungsparteien CDU und FDP machen eher die Betroffenen selbst für ihr Schicksal verantwortlich. Sie hätten gegen ihre Zwangspensionierung juristisch vorgehen müssen, sagt CDU-Obmann Peter Beuth. Weil Marco Wehner bereits lange vor der Pensionierung die Ausbildung zu seinem heute ausgeübten Beruf als Fahrlehrer absolviert hat, schließt Beuth: „Da ist systematisch auf die Pensionierung hingearbeitet worden.“ Rudolf Schwenger, ebenfalls zwangspensioniert, geht das zu weit. Er erwägt, Strafanzeige gegen den CDU-Politiker zu erstatten.

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