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Politik: Vom Wahlversprechen zur amtlichen Lüge? Union fordert Ausschuss, weil Kassenlage bekannt gewesen sei

Jürgen Koppelin war nicht auf der Höhe der Zeit. „Was soll ein Untersuchungsausschuss noch untersuchen, wenn bereits jetzt die Fakten bekannt sind?

Von Robert Birnbaum

Jürgen Koppelin war nicht auf der Höhe der Zeit. „Was soll ein Untersuchungsausschuss noch untersuchen, wenn bereits jetzt die Fakten bekannt sind?“ fragte der FDP-Fraktionsgeschäftsführer am Montag in Berlin. Da hatte die FDP-Spitze gerade beschlossen, was das CDU-Präsidium zur gleichen Zeit ebenfalls beschloss: Die Opposition wird einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss mit dem Arbeitstitel „Vorsätzlicher Wahlbetrug“ durchsetzen. Der Ausschuss soll, so sagen es CDU-Chefin Angela Merkel, CSU-Chef Edmund Stoiber und FDP-Chef Guido Westerwelle, den Nachweis führen, dass die Regierung die Wähler vor der Bundestagswahl über den Zustand der Staatsfinanzen „amtlich belogen“ habe.

Ein Viertel der Abgeordnetenstimmen reicht für einen Untersuchungsausschuss; die Union kann ihn in der ersten Dezemberwoche also im Alleingang durchsetzen. Den formalen Anlass hat der grüne Ex-Abgeordnete Oswald Metzger mit dem Eingeständnis geliefert, Rot-Grün habe vor der Wahl den üblen Zustand der Staatsfinanzen gekannt und gezielt verschwiegen.

Nun ist es keine rot-grüne Erfindung, im Wahlkampf Hässliches schönzureden und Unhaltbares zu versprechen. Die Opposition glaubt aber einen Dreh gefunden zu haben, mit dem das übliche Vergehen zum Schurkenstück erklärt werden kann. Der Dreh liegt in dem Wörtchen „amtlich“. Eine Sache sei es, wenn ein Parteipolitiker es mit der Wahrheit im Wahlkampf nicht so genau nehme. Eine andere Sache sei es aber, wenn ein Minister über etwas lüge, was er von Amts wegen besser wissen müsse. Merkel hat das Trio genannt, dem die parlamentarische Inquisition speziell auf den Leib rücken soll: die SPD-Minister Ulla Schmidt (Gesundheit), Walter Riester (Soziales) und vor allem Finanzminister Hans Eichel. Westerwelle freut sich schon darauf, in „Akten des Finanzministeriums“ der Frage nachzuspüren, wann die düstere Wahrheit über die Staatsfinanzen bekannt war.

Ob es zu solcher Detektivarbeit kommt, ist indes ungewiss. Die Opposition kann zwar die „schärfste Waffe des Parlaments“ gegen den Willen der Regierung zücken. In dem Gremium hat Rot-Grün aber die verfahrensleitende Mehrheit. Bundeskanzler Gerhard Schröder nennt den Ausschuss „Klamauk“, Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck einen „schlechten Witz“. Und Metzger will keinesfalls als Kronzeuge auftreten: Gegen Wahlkampfaussagen mit einem U-Ausschuss vorzugehen sei „Balla-Balla-Politik“.

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