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Politik: Von der Donau in den Dschihad

Das Neu-Ulmer Multi-Kultur-Haus, in dem Khaled al Masri verkehrte, gilt als Treffpunkt für Islamisten. Bayern will es schließen

Berlin - Neu-Ulm ist ein friedliches Städtchen an der Donau, nahe der Schwäbischen Alb, an der Grenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern gelegen. Der Dschihad tobt weit, weit entfernt. Doch die CIA interessiert sich für die Szene des Städtchens. In Afghanistan verhörten seine Entführer vom US-Geheimdienst den verschleppten Deutsch-Libanesen Khaled al Masri nach dessen Angaben über Neu-Ulm und das dortige Multi-Kultur-Haus. Denn der unauffällige Ort hat sich bereits seit den 90er Jahren zu einem Zentrum der deutschen Islamisten entwickelt. Von hier zogen Islamisten in den Krieg in Tschetschenien. Die Gästeliste des Multi-Kultur-Hauses in der Zeppelinstraße liest sich wie ein who is who der Terrorverdächtigen in Deutschland. Darunter weit relevantere Akteure als al Masri, der doch eher als unpolitischer Mitläufer eingeschätzt wird.

Lange schon beobachten sowohl der Verfassungsschutz als auch die Polizei diesen Treffpunkt der Dschihadisten, in dem, so die Behörden, der Hass gepredigt und Gotteskämpfer unterstützt werden. Jetzt bereitet Bayern die Schließung vor. Das bayerische Innenministerium sagte am Montag der dpa: „Wir prüfen ein vereinsrechtliches Verbotsverfahren“. Mehrfach schon wurden das Haus und die Wohnungen von Unterstützern durchsucht, PCs beschlagnahmt, Propagandaschriften, in denen zum „heiligen Krieg“ aufgerufen wird, gefunden, auch Anleitungen zum Bombenbau. Das Material scheint inzwischen für ein Verbotsverfahren gegen den Trägerverein des Multi- Kultur-Hauses zu reichen – das Zentrum könnte zugesperrt werden.

Im Umfeld des Hauses der Islamisten lernte al Masri Reda Seyam kennen. Seyam, der inzwischen in Berlin lebt, wird verdächtigt, Verbindungen zu den Attentätern von Bali im Oktober 2002 gehabt zu haben. Westliche Geheimdienste vermuten in ihm gar den Drahtzieher, bewiesen werden konnte das nicht.

Ein weiterer Bekannter al Masris war wohl Dr. Yehia Youssif, ein Hassprediger, der als zentrale Figur im Neu-Ulmer Milieu gilt. Er vor allem, sagen die Behörden, zieht junge Islamisten in den Bann und schickt sie damit auf den Weg in den „heiligen Krieg“. Youssif, für den eine Ausweisung besteht, ist inzwischen untergetaucht. Sein Sohn Omar, der im Januar nach Ägypten abgeschoben wurde, hat eine Ausbildung in einem pakistanischen Lager absolviert. Er war es, bei dem die Anleitungen zum Bombenbau entdeckt wurden. Der Senior Youssif dient allerdings nicht nur dem Dschihad. Von 1996 bis 2002 trug Yehia Youssif als V-Mann dem baden-württembergischen Verfassungsschutz zu. Jetzt wird gegen ihn als Mitglied einer kriminellen Vereinigung ermittelt, die unter anderem Pässe gefälscht und Personen eingeschleust haben soll – und eine Rolle spielt bei der Aussendung junger Gotteskrieger.

Im Winter 2003 trafen russische Spezialeinheiten in den Wäldern bei Grosny auf muslimische Mudschahedin. Das Gefecht währte kurz, die Kämpfer für ein islamisches Tschetschenien starben. Einer von ihnen war Thomas „Hamsa“ Fischer. Ein 25-jähriger deutscher Konvertit, geboren in Blaubeuren bei Ulm. Mit vier islamistischen Gefährten war er in den Krieg gezogen. Drei von ihnen sind inzwischen tot, einer wird vermisst. Im Multi-Kultur-Haus war Fischer gut bekannt. Heute nennt man ihn dort stolz einen Märtyrer.

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