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EU-Kommissionschefin von der Leyen und Ratspräsident Michel (r.) reisen nach Ankara - das sollten sie lieber lassen, schreibt unsere Kommentatorin. (Szenenfoto aus Brüssel vom 25. März)

© ris OIkonomou/Pool via REUTERS

Von der Leyen in Ankara: Dieser Türkeibesuch gehört abgesagt

Die EU suggeriert dem türkischen Präsidenten Erdogan, dass Europa ihn mehr braucht als andersherum. Ein schwerer Fehler. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Güsten

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel sollten ihren Besuch in der Türkei an diesem Dienstag absagen. Wenn sie Präsident Recep Tayyip Erdogan mitten in einer neuen Eskalation der Repression ihre Aufwartung machen, zeigen sie, dass Rechtsstaat und Menschenrechte für Europa nicht mehr zählen, und dass es der EU nur auf Erdogans Kooperation in der Flüchtlingskrise und im östlichen Mittelmeer ankommt.

Eine Absage des Besuchs wäre ein überfälliges Signal an den türkischen Präsidenten, dass er sich an demokratische Spielregeln halten muss, wenn er ein positives Verhältnis zu Europa will.

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Die EU toleriert die demokratischen Rückschritte in der Türkei, weil sie Erdogan nicht verärgern will. Selbst als der Präsident kürzlich den Vertrag des Europarats zum Schutz von Frauen vor Gewalt aufkündigte, blieb es bei zahmen Kommentaren aus Brüssel. Willkürliche Verhaftungen von Regierungsgegnern in der Türkei werden schon lange ignoriert.

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Opposition und Zivilgesellschaft fühlen sich von Europa im Stich gelassen. Die EU, die sich als demokratische Wertegemeinschaft definiert, nimmt es hin, dass ein Beitrittskandidat wie die Türkei diese Werte verachtet. Die Kopenhagener Rechtsstaats-Kriterien spielen keine Rolle mehr.

Erdogan kann sich in seinem Kurs bestärkt fühlen. Die Spannungen im östlichen Mittelmeer hat er selbst vom Zaun gebrochen – und nun will ihn die EU mit Handelserleichterungen belohnen, wenn er damit aufhört. Erdogans Regierung will die Kurdenpartei HDP, die drittstärkste Kraft im Land, verbieten lassen, doch von der EU kommt kein Mucks. Der Menschenrechtspolitiker Ömer Faruk Gergerlioglu verschwindet im Gefängnis, weil er Folter, Misshandlungen und Verhaftungen anprangerte, doch Brüssel schweigt.

Heuchlerisch und kontraproduktiv

Studenten werden von der Polizei gewürgt, wenn sie gegen die Zwangsverwaltung ihrer Universität protestieren, die türkische Justiz unterdrückt die freie Meinungsäußerung mit fadenscheinigen Terrorvorwürfen. Am Tag vor dem Besuch der EU-Spitzen kamen reihenweise ehemalige Admirale in Haft, weil sie es wagten, Erdogans Politik zu kritisieren.

Doch die EU bescheinigt der türkischen Regierung ein „positives und gemäßigtes Verhalten“. Diese Politik ist nicht nur heuchlerisch, sie ist auch kontraproduktiv. Erdogan wird sich mit Zugeständnissen nicht besänftigen lassen. Die EU suggeriert dem türkischen Präsidenten, dass Europa ihn mehr braucht als andersherum. Wichtige Druckmittel werden damit aus der Hand gegeben. Eine kurzfristige Absage des Besuchs wäre deshalb eine späte, aber richtige Botschaft.

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