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Politik: Von der überaus nützlichen Freundschaft zwischen Kohl und Mitterrand (Gastkommentar)

Was, auch da haben die beiden unter einer Decke gesteckt? Gedeckt durch die Blankovollmacht der geheiligten deutsch-französischen Freundschaft soll die staatliche Elf-Acquitaine auf Anweisung von Präsident Mitterrand der CDU 30 Millionen Mark Wahlkampfhilfe gespendet haben, auf dass "Freund Helmut" 1994 gewinnt.

Was, auch da haben die beiden unter einer Decke gesteckt? Gedeckt durch die Blankovollmacht der geheiligten deutsch-französischen Freundschaft soll die staatliche Elf-Acquitaine auf Anweisung von Präsident Mitterrand der CDU 30 Millionen Mark Wahlkampfhilfe gespendet haben, auf dass "Freund Helmut" 1994 gewinnt. Ein weiterer Mythos, der zerbröckelt. Vor dem inneren Auge ziehen noch einmal die symbolischen Bilder vorbei: Hand in Hand an den Gräbern von Verdun; Kohl im französischen Fernsehen, wie er seinem "Freund François" zu Hilfe eilt vor dem Referendum zum Maastricht-Vertrag; der Bundeskanzler mit Tränen in den Augen unter den Bögen von Notre-Dame beim Staatsbegräbnis des Präsidenten. Werden diese edlen Gesten nun entehrt durch einen hässlichen Austausch fragwürdiger Gefälligkeiten?

"Ja - und?", fragen meine französischen Freunde fast belustigt; sie sind so abgestumpft durch die Skandale der Ära Mitterrand, dass sie kaum noch etwas überraschen kann. "Das ist widerlich", empören sich meine deutschen Freunde; bisher glaubten sie in einer Republik zu leben, die tugendhafter ist als andere. Sie können diese Wendung nicht verstehen. Warum, zum Teufel, soll ein französischer Sozialist einem deutschen Christdemokraten beispringen? Kohl und Mitterrand gehörten nicht zur gleichen parteipolitischen Familie, aber sie hatten eine gemeinsame Vision, die alle weltanschaulichen Unterschiede überdeckte: Europa! Es ist kein Geheimnis, dass Mitterrand die deutsche Einheit zögerlich-skeptisch begleitete und grünes Licht nur unter der Bedingung gab, dass Deutschland sich zur europäischen Integration verpflichtet.

Rückblende auf 1994, auch das "Jahr der Gefahren" getauft: Nach der Europawahl und mehreren Landtagswahlen spitzte sich alles auf das Duell Kohl-Scharping zu. Die Signale aus Deutschland beunruhigten die Regierung in Paris. CSU-Chef Edmund Stoiber erklärte, Adenauers Europa-Projekt sei überholt. Man tuschelte, auch in der CDU werde der Europa-Enthusiasmus des Vorsitzenden nicht geteilt. Und was die SPD betraf - niemand wusste ganz genau, was von ihr zu erwarten sei. "Euroskeptizismus" war das Modewort in den Gesprächen über Deutschland. Die Franzosen begriffen sehr wohl, welches Opfer der Verzicht auf die D-Mark für ihre Nachbarn bedeutete. Paris fürchtete, dass die Deutschen angesichts der Herausforderung der inneren Einheit Europa hintanstellen würden.

Bei diesen realen Unsicherheiten und alten antideutschen Reflexen war Kohl die Garantie für Stabilität und Kontinuität. Für ihn, das hatte er bis zum Überdruss wiederholt, waren deutsche Einheit und europäische Einigung zwei Seiten der selben Medaille. In Paris war man überzeugt: Er ist der einzige, der seine Landsleute dazu bringen kann, die bittere Pille namens Euro zu schlucken. Von dieser Sicht bis zur Bereitschaft, finanziell nachzuhelfen, um ihm den Sieg leichter zu machen, war es nur ein kurzer Weg ... über Geheimkonten in Liechtenstein.

"Helmut Kohl verteidigt Kap Europa", atmete "Libération" am Tag nach dem Wahlsieg erleichtert auf. Man weiss, dass der Machiavellist Mitterrand nicht zögerte, an Recht und Gesetz zu drehen, um seine Ziele zu erreichen. Bis heute hat man nur übersehen, dass Kohl ihm ein Stück weit gefolgt ist. Der "Prinz" und der "Patriarch" hatten sich verbündet - im Guten wie im Schlechten.Die Autorin schreibt für das französische Magazin "Le Point". Aus dem Französischen von Christoph von Marschall.

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