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Politik: Von der Werkbank in den Bundestag

Mittleres Management nennt er das, was er tut. Und er ist stolz darauf.

Von Lutz Haverkamp

Mittleres Management nennt er das, was er tut. Und er ist stolz darauf. Karl-Josef Laumann weiß um die Bedeutung. Es war auch schon anders. Der sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gehört einer immer kleiner werdenden Minderheit von Abgeordneten an. 500 seiner 669 Kollegen haben einen Hochschulabschluss. Er hat gearbeitet, Arbeit im klassischen Sinne. So richtig mit Blaumann, mit 15 Minuten Frühstückspause, mit dreckigen Händen. 17 Jahre als Maschinenschlosser in der westfälischen Provinz, seiner Heimat. Das ist vorbei.

Zum Thema Online Spezial: Die Arbeitsamts-Affäre Hintergrund: Der Reformplan Umfrage: Sollen Arbeitsämter privatisiert werden? 1990 bekam er die Möglichkeit, den Job zu wechseln: Sein prominenter Vorgänger, Bauernpräsident Constantin Freiherr Heereman, verzichtete auf ein neues Mandat im Wahlkreis Steinfurt II. An seiner Stelle wurde Laumann direkt von der Werkbank in den Bundestag gewählt - und macht seitdem Karriere. Als einer der letzten klassischen Arbeiter, die er selbst Praktiker nennt. "Die Zeit als Schlosser ist in Ordnung gewesen. Alles ok", sagt Laumann, der seine Strickjacke erst mit dem Sakko tauscht, als es Zeit wird, von seinem Büro in der Wilhelmstraße ins Paul-Löbe-Haus zu gehen. Zu Fuß, ohne Tasche, mit ein paar Akten unterm Arm. Er ist Vorsitzender der AG Arbeit und Soziales, ihr Manager sozusagen. "Der beste Job, den eine Fraktion während der Oppositionszeit vergeben kann", sagt Laumann. Da mögen die Maschinen von damals "noch so schön" gewesen sein, die Arbeit noch so ehrlich, so bodenständig. Jetzt darf er "Deutschland gestalten", sagt er schwärmend - aber ruhig, unaufgeregt - westfälisch eben.

Gewisser Einfluss

Arbeitslosigkeit kennt Laumann nicht aus eigener Erfahrung. Nur von anderen. Aber Arbeitslosigkeit ist sein politisches Thema, und er weiß, dass die Politik Fehler gemacht hat. Die jetzige Regierung von Gerhard Schröder, aber auch die von Helmut Kohl, seiner eigenen Regierung. Viel versprochen haben beide Kanzler. Dennoch: Seit mehr als 20 Jahren gibt es in Deutschland Massenarbeitslosigkeit. Das scheint für ihn Frust und Motivation zugleich. Denn den Glauben an die Politik und ihre Möglichkeiten hat der 44-Jährige trotz allem nicht verloren. Es reicht gar für das Hohe Lied auf den eigenen Stand: "Wenn es eine Berufsgruppe in Deutschland gibt, die die Sorgen der Menschen kennt und wahrnimmt, dann ist es die der Politiker.

Viel eher als Gewerkschaftsfunktionäre und andere Verbandsvertreter", sagt das IG-Metall-Mitglied, der Ex-Betriebsrat, der Vorsitzende der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) im Bezirk Nord Münsterland. Der Manager, der so gar nicht nach Machtmensch aussieht, im kleinen Abgeordnetenbüro in der Wilhelmstraße.

Der entscheidende Durchbruch in seiner politischen Arbeit sei die Wahl zum sozialpolitischen Sprecher der Unionsfraktion gewesen, sagt er selbst. "Arbeit und Soziales ist in einer großen Volkspartei das Schlüsselressort." Einfluss, Gestaltungsmöglichkeiten, Macht: "Wenn wir eine Arbeitsmarktreform machen, wie ich mir sie vorstelle, können wir bis Ende des kommenden Jahres die Arbeitslosigkeit auf drei Millionen senken." Das klingt nach Manager. Und nach einem neuen Versprechen. Über Posten und Ämter mag er nicht spekulieren. "Aber dass ein führender Sozialpolitiker der Unionsfraktion einen gewissen Einfluss hat, ist halt so", sagt er selbstbewusst, und für diesen einen Satz wird sein Ton ganz unwestfälisch-staatsmännisch. Dass das mit dem Einfluss einmal anders war, hat er selbst erlebt. Vor zehn Jahren war er Hinterbänkler. Der Arbeiter aus Hörstel-Riesenbeck. Der Laumann im Blaumann. Kein Management. Nicht einmal mittleres.

Diese Zeit scheint vorbei. Er hat sich mit westfälischer Sturheit aus der Masse der Unbekannten herausgearbeitet. Seine Rede zur Reform der Rentenversicherung fand viel Beachtung. Glückwünsche von Freunden und Wählern auf der Homepage im Internet, hämische Zwischenrufe von SPD und Grünen, Beifall aus den eigenen Reihen - und ein Schulterklopfen vom Fraktionschef Friedrich Merz. Stolz? "Mir ist nie etwas in den Schoß gefallen. Ich habe mich immer reingekniet", sagt er. "Ich bin glücklich und zufrieden." Und Stolz? Das Wort gefällt ihm nicht. Westfalen sind bescheiden.

Später gibt Laumann, der inzwischen auch dem Bundesvorstand der CDU angehört, doch noch zu, dass ihn das alles auch mit eben genau diesem Gefühl erfüllt. Auch deshalb, weil er jeden Tag durch das Brandenburger Tor läuft. "Gut", sagt er, "ich bin Mitglied eines Verfassungsorgans. Aber mein Gefühl an entscheidender Stelle zu sitzen, hat eher mit dem Gebäude Reichstag zu tun."

Sein persönliches Umfeld ist fast Klischee: verheiratet, drei Kinder, am Wochenende gehts nach Hause - Wahlkreis, Familie, Kirche. Seine Herkunft kann und will er gar nicht leugnen. Da passt das münsterländische Nuscheln ebenso ins Bild wie der grüne Lodenmantel. Wäre Politik wirklich nur eine Medienshow - Laumann hätte keine Chance. Oder gerade deshalb eine große. Er ist ein Typ, vielleicht ein westfälisches Original. Für manche geht das als Kompliment durch, für andere als Beleidigung.

Als Praktiker

Jetzt ist Wahlkampf. Und das Thema steht fest: Arbeitslosigkeit. Wie gemacht für den Maschinenschlosser Laumann, für den Sozialpolitiker, für den Praktiker. 16 Jahre Helmut Kohl wären ohne Arbeitsminister Norbert Blüm nicht möglich gewesen, sagt er. "Der hat für seinen Kanzler Millionen von Stimmen geholt." Mit Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Mit Laumanns Politik.

Und diese Politik soll nicht nur auf der großen Bühne stattfinden. Um ein Problem einer 24-jährigen Frau aus seinem Wahlkreis wolle er sich in den nächsten Tagen kümmern, erzählt Laumann. "Die ist 14 gewesen, als ich in den Bundestag einzog", stellt er ein bisschen erschreckt fest. "Die kennt mich nur als Politiker." Nicht mehr als Arbeiter, als Praktiker.

"Jeder weiß, wofür ich stehe. Die Leute wissen, was ich denke. Und fertig." Aber Laumann weiß auch von seinen beschränkten Möglichkeiten. "Mit unseren Instrumenten der Sozialpolitik können wir das Problem der Massenarbeitslosigkeit in Deutschland nicht lösen. Im Moment fahren wir nur mit Blaulicht durch die Straßen und sammeln die Notfälle ein." Das ist so einfach gesagt und bedeutet doch so viel. Weil es auch das Eingeständnis der persönlichen Unzulänglichkeit ist. Aber so ist Laumann - einfach, direkt, bodenständig. Auch in seiner Heimat, in der 6000-Seelen-Gemeinde Riesenbeck im Kreis Steinfurt. Dort sei er "noch der Karl-Josef, der Ka-Jo", den viele nach wie vor als Arbeiter kennen, als Maschinenschlosser. Tendenz sinkend.

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