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Politik: Von Israel eingemauert – von der Hamas regiert

In Qalqilia stellen Islamisten seit Mai 2005 die Verwaltung. Die Bilanz ist durchwachsen

Der einzige palästinensische Zoo, der einst an Feiertagen 10 000 Besucher aus der Westbank und Israel anzog, liegt dieser Tage verlassen da. Die palästinensische Stadt mit den 45 000 Einwohnern auf der Grenze zwischen Israel und der Westbank hat längst eine größere „Sehenswürdigkeit“: Die Stadt ist vollständig von der Mauer umgeben und von ihrem Hinterland abgeschnitten. Nur gen Osten gibt es einen Korridor, durch israelische Checkpoints unterbrochen, der die Stadt mit der Westbank verbindet.

Die gesamte Stadt ist eine Art Freiluftgehege, das von Beton und Stacheldraht begrenzt wird. Seither kommen nur noch Friedensaktivisten und Mauergegner in die Stadt, aber keine palästinensischen Familien zum Zoo-Besuch. Ob der mit dem Mauerbau verbundene wirtschaftliche Niedergang dafür verantwortlich ist oder nicht: In Qalqilia regiert seit Mai 2005 die islamistische Hamas. Bei den Kommunalwahlen gewann sie alle 15 Sitze des Gemeinderates in der früheren Hochburg der Fatah. Während auf nationaler Ebene noch gerätselt wird, was die Hamas mit der neuen politischen Macht eigentlich machen will, regiert sie auf lokaler Ebene recht energisch. Für manche vielleicht zu energisch, denn bei der Parlamentswahl gehörte Qalqilia zu den wenigen Orten, in denen sich zwei Direktkandidaten der Fatah durchsetzten.

„Unser Budget 2006 war das erste, das vom Ministerium für Lokalverwaltung und der Weltbank abgesegnet wurde“, erklärt der amtierende Bürgermeister Hashim Masri stolz. Der 44-jährige Hamas- Vertreter vertritt Bürgermeister Wajih Qawwas, der seit 2002 ohne Anklage in israelischer Administrationshaft sitzt.

Bei der Sanierung der Verwaltung gab es auch bittere Pillen für die Bewohner zu schlucken. Die Strompreise stiegen, damit die Stadt ihre Schulden beim israelischen Elektrizitätswerk schneller abbezahlen und Zinsen sparen kann. Hat die Hamas auch bei den Angestellten aufgeräumt? „Wir haben niemanden entlassen und nur 20 Teilzeitkräfte zusätzlich eingestellt“, erklärt Masri. Allerdings gebe es erstmals präzise Arbeitsplatzbeschreibungen und einige Mitarbeiter seien versetzt worden. 47 Angestellte hätten eine längst überfällige Gehaltserhöhung bekommen, 22 Angestellten seien Zulagen, die durch Vetternwirtschaft zustande kamen, gestrichen worden.

Auch der Leiter einer Privatklinik, Bassem Hashem, ist zufrieden. Das ehemalige Mitglied der linken Volksfront zur Befreiung Palästinas hat bei den Kommunalwahlen erstmals Hamas gewählt, um mit der Korruption aufzuräumen: „Der vorherige Bürgermeister war ein einfacher Lehrer und nach neun Jahren hat er sich eine Millionärsvilla gebaut.“ Jetzt hat Bassem das Gefühl, alles sei unter Kontrolle.

Offensichtlich hat sich die islamistische Stadtverwaltung bei der Umsetzung ihrer sozialen und kulturellen Ideen bisher zurückgehalten. Analysten vermuten, dass Hamas vor den Parlamentswahlen niemanden verschrecken wollte. Aber spürbar sind Veränderungen dennoch. Ein Folklore-Festival mit ausländischen Tanz- und Musikgruppen sagte die neue Stadtverwaltung ab. „80 Prozent der Bewohner waren dagegen, also konnten wir das öffentliche Fußballstadion nicht zur Verfügung stellen“, rechtfertigt sich der Bürgermeister.

Souhad Hashem sieht die Entwicklung kritischer. Die energiegeladene Frau hat auf der Liste des unabhängigen säkularen Mustafa Barghouti kandidiert. „Wir haben für seinen Wahlkampfauftritt keinen Saal der Stadtverwaltung bekommen. Aber Hamas durfte dort ihre Treffen mit Wählern abhalten“, empört sie sich.

Obwohl die Hamas Israel nicht anerkennt, kommt auch die islamistische Organisation nicht darum herum, mit israelischen Vertretern zu verhandeln. „Wir stehen unter Besatzung, das können wir nicht leugnen“, erklärt der Bürgermeister. Er müsse mit den Israelis Belange des täglichen Lebens wie Elektrizitätszufuhr oder Müllabfuhr koordinieren. Das heiße aber nicht, dass man die israelischen Siedlungen in der Westbank anerkenne.

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