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Politik: Von kleinen Fingern und Oberarmen

Der CDU-Parteitag stimmt dem Steuerkonzept des Finanzexperten zu. Aber die ersten wollen es bereits wieder verändern

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Von Cordula Eubel, Leipzig

und Matthias Schlegel, Berlin

Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz hat auf dem CDU-Parteitag davor gewarnt, sein Steuerkonzept zu verändern. „Einen Spielraum nach oben gibt es bei dieser Steuerstruktur und Steuertarifgestaltung nicht“, sagte Merz. „Wir müssen eher weiter runter.“ CDU-Parteichefin Angela Merkel hatte am Vortag angedeutet, dass bei ausbleibendem Wirtschaftswachstum die Tarife möglicherweise weniger stark gesenkt werden könnten. Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) setzt sich seit ein paar Wochen dafür ein, den Spitzensteuersatz im Merz-Steuermodell um ein bis zwei Prozentpunkte hochzusetzen.

Das soll Spielraum ermöglichen, die notwendigen Steuergelder für den sozialen Ausgleich bei den geplanten Sozialreformen zu erhalten. Rund zehn Milliarden Euro fehlen nach CDU-Berechnungen mindestens, um die Differenzen zwischen Arm und Reich bei der von der Union geplanten Gesundheitsprämie auszugleichen.

Die rund 1000 Delegierten auf dem Parteitag in Leipzig stellten sich am Dienstag geschlossen und ohne Gegenstimmen hinter die Pläne für einen Umbau des Steuersystems. Merz plant, viele Ausnahmen in der Einkommensteuer abzuschaffen, etwa die Steuerfreiheit von Feiertags- und Nachtarbeit oder die Pendlerpauschale. Der Finanzexperte warnte davor, an dieser Stelle dem Druck der diversen Interessenvertreter nachzugeben und zahlreiche Ausnahmen zuzulassen. „Wenn wir den kleinen Finger reichen, nehmen die Leute gleich den ganzen Oberarm“, sagte Merz. Als gerechtfertigte Ausnahmen nannte Merz das Ehegattensplitting und den Grundfreibetrag, von dem laut Merz vor allem Familien profitieren sollen.

Der CDU-Politiker will einen Tarif mit drei Stufen einführen (12, 24 und 36 Prozent). Für Jahreseinkommen über 16 000 Euro sollen 24 Prozent fällig werden, für jeden verdienten Cent oberhalb von 40 000 Euro 36 Prozent. Pro Person ist ein steuerlicher Grundfreibetrag von 8000 Euro vorgesehen, der innerhalb von Familien übertragbar ist. Kindergeld soll für Geringverdiener dann gezahlt werden, wenn sie den Freibetrag nicht völlig ausschöpfen können, maximal jedoch 240 Euro. Unternehmen sollen unabhängig von der Rechtsform 24 Prozent Steuern zahlen.

Für die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss über die Reform der Gewerbesteuer gab Merz die Unions-Linie vor: Dem „Unsinn“, den Rot-Grün plane, dürfe und werde die Union nicht zustimmen. Es sei „Unfug“, von den Freiberuflern Gewerbesteuer zu verlangen, sowie auch Mieten, Zinsen und Leasingraten zur Berechnung heranzuziehen. Stattdessen sprach sich Merz für ein Sofortprogramm für die Kommunen aus: Sie sollten einen geringeren Anteil ihrer Gewerbesteuereinnahmen an den Bund abführen müssen und einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer erhalten. Ebenso wie CSU-Chef Edmund Stoiber forderte Merz außerdem erneut, ein Vorziehen der Steuerreform nicht über Schulden zu finanzieren.

Die Reaktionen fielen erwartungsgemäß heftig aus. Der Parteitag habe „dafür gesorgt, dass sich die CDU radikalisiert“, sagte der Thüringer SPD-Landesvorsitzende Christoph Matschie. Die Beschlüsse hätten die CDU „aus der Mitte der Gesellschaft gerückt“. SPD-Fraktionsvize Jochim Poß sagte, auch ohne das Herzog-Konzept, das einen steuerfinanzierten Sozialausgleich vorsieht, rissen die Merz-Pläne neue Milliardenlöcher in die öffentlichen Kassen: „Merz und Herzog sind keine seriösen Alternativen zu den Vorschlägen der Koalition.“ Die Sozialverbände VdK und SoVD bezeichneten das Modell der Gesundheitsprämie als unsozial. Grünen-Fraktionschefin Krista Sager sagte, die CDU wolle solidarische Sicherungssysteme zerschlagen und besser Verdienende entlasten.

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