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Politik: Von Schröder lernen

Der abgewählte tschechische Premier lässt sich vom früheren Kanzler beraten

Ein bisschen Urlaub war für Gerhard Schröder dann doch noch drin: Bei seinem Abstecher nach Prag in der vergangenen Woche schlenderte er über die berühmte Pariser Straße mit ihren exklusiven Boutiquen, dann schaute er sich den alten jüdischen Friedhof an. Immer an seiner Seite: Jiri Paroubek, der gerade abgewählte Premierminister aus Tschechien. Dem Prager Sozialdemokraten stehen noch in diesem Monat die Lokal- und Senatswahlen bevor, für die er sich Rückenwind vom medienwirksamen Schulterschluss mit seinem deutschen Kollegen erhofft. Jiri Paroubek gilt als gelehriger Schröder-Schüler: Seine Werbekampagne vor den tschechischen Wahlen im Sommer trug unverkennbar die Handschrift der deutschen SPD.

Wie eng die Freundschaft der beiden abgewählten Staatsmänner ist, zeigt sich an kleinen Gesten. Als im Juni die entscheidenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus anstanden, schickte Schröder zwei erfahrene Experten aus der SPD-Wahlkampfzentrale nach Tschechien. Er selbst stellte sich häufig demonstrativ an die Seite Paroubeks: Bilder der beiden Politiker, die nach einer Wanderung mit einem Glas böhmischen Biers auf ihre Freundschaft anstoßen, verfehlen in Tschechien ihre Wirkung nicht: Schröder genießt im Nachbarland noch heute hohes Ansehen.

Mit Staunen stellten die tschechischen Fernsehzuschauer allerdings fest, dass sich Jiri Paroubek in der Nähe von Gerhard Schröder plötzlich verwandelt. Der Mann, dem sein unerschütterliches Selbstbewusstsein und seine rücksichtslose Diskussionskultur den Spitznamen Bulldozer eingebracht haben, schrumpft neben Schröder stets zum zurückhaltenden Schüler. Schon vor Monaten hat Paroubek seinen deutschen Freund öffentlich als Vorbild bezeichnet. Bei ihrem Spaziergang in Prag untermalte Schröder seine Worte mit ausladenden Gesten, und Jiri Paroubek hörte ihm einfach nur zu. Worüber sie gesprochen haben? „Wir haben ein Prinzip“, sagte Gerhard Schröder anschließend: „Wenn wir miteinander reden, behalten wir den Inhalt der Unterhaltung für uns.“

In der Vergangenheit war es mit der Verschwiegenheit nicht so weit her. Groß berichteten tschechische Zeitungen, was Schröder seinem Kollegen für den Wahlkampf geraten hat: Im Vordergrund steht der Spitzenkandidat! Die Schwachstellen des Gegners gnadenlos angreifen! Klare, kurze Aussagen! Mit diesen Maximen fuhr Paroubek das beste Wahlergebnis in der Geschichte der tschechischen Sozialdemokraten ein – zu seinem Entsetzen half das allerdings nicht viel, weil sein Kontrahent Mirek Topolanek von der bürgerlich-demokratischen Partei (ODS) noch mehr Stimmen bekam. Bei den jetzt bevorstehenden Kommunal- und Senatswahlen soll sich so ein Fehlschlag nicht wiederholen. Die Plakate sind bereits geklebt, und auch bei öffentlichen Auftritten ist Paroubek wieder häufiger Gast.

Immerhin: Wie man im Ernstfall auch als Wahlverlierer Herr der Lage bleibt, hat sich Paroubek schon von Gerhard Schröder abschauen können. Bei den zurückliegenden Wahlen verkündete der besiegte Ministerpräsident den staunenden Journalisten in bester Schröder’scher Manier, er sei der eigentliche Wahlgewinner. Deshalb denke er gar nicht daran, seinem Gegner zu gratulieren: „Ohne uns“, sagte Paroubek, „können die sich nicht einmal die Hände waschen.“ Gerhard Schröder wäre stolz auf seinen Schüler.

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