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Politik: Von wegen einfache Mehrheit

Mit Spannung erwartet der Bundestag den vierten Anlauf zur Wahl eines Vizepräsidenten der Linkspartei

Berlin – Der Vorsitzende der Linkspartei, Lothar Bisky, muss an diesem Dienstag erneut um seine Wahl als Bundestagsvizepräsident bangen. Nach drei erfolglosen Wahlgängen droht ihm ein knappes Ergebnis. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Links-Fraktion, Dagmar Enkelmann, äußerte einen Tag vor der Wahl die Hoffnung, dass Bisky gewählt wird. „Ich hoffe, dass die Bedenkzeit hilfreich war und die Vernunft sich durchsetzt“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Dann könnte die Wahl geräuschlos über die Bühne gehen“, appellierte sie an die Parlamentarier. Die anderen Fraktionen dürften „kein Interesse daran haben, einen Märtyrer zu schaffen“, sagte Enkelmann. Wenn Bisky erneut nicht gewählt würde, werde die Fraktion neu beraten müssen. „In erster Linie müsste Lothar Bisky dann selbst entscheiden, ob er noch einmal antreten würde.“

Unterstützung für Bisky signalisierten außer seiner eigenen Fraktion bislang nur die Grünen und Teile der SPD. Offen blieb im Vorfeld der Wahl die Zahl der SPD-Abgeordneten, die wie schon in den ersten drei Wahlgängen gegen Bisky stimmen. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, sagte dem Tagesspiegel, jeder in seiner Partei müsse wissen, ob er ausgerechnet den Vorsitzenden der Nachfolgepartei der SED zum Parlamentsvize wählen wolle. Bei der Links-Fraktion hofft man dagegen, dass es bei diesem Wahlgang eine breitere Zustimmung aus den Reihen der SPD geben wird – und begründet dies auch mit dem designierten SPD-Vorsitzenden Matthias Platzeck. Der habe sich schließlich für Bisky ausgesprochen.

Abgelehnt wird Bisky hingegen von großen Teilen der FDP und nahezu der gesamten Unionsfraktion. CDU-Fraktionsvize Arnold Vaatz sagte dem Tagesspiegel, er habe wegen aus seiner Sicht nicht geklärter Stasi-Vorwürfe gegen Bisky „kein Vertrauen“ in den PDS-Chef. Deshalb habe er allen CDU-Abgeordneten Informationen über Biskys Vergangenheit zukommen lassen. So habe Bisky im Bundestags-Untersuchungsausschuss „DDR-Vermögen“ 1997 seine Aussage verweigert. „Ein Politiker, der daraufhin 900 Mark Ordnungsgeld wegen Missachtung des Parlaments bezahlen muss, ist aus meiner Sicht als Parlamentsvize nicht tragbar“, sagte Vaatz. Auch bei der FDP mehren sich die Vorbehalte gegen Bisky. Dem Vernehmen nach folgten die meisten FDP-Abgeordneten in den ersten Wahlgängen einer Wahlempfehlung von Fraktionschef Wolfgang Gerhardt; danach setzte bei vielen Liberalen jedoch ein Umdenken ein. „Wir hätten es begrüßt, wenn die Linkspartei einen neuen Personalvorschlag gemacht hätte“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Jörg van Essen. Fraktionschef Gerhardt gab denn am Montag auch keine weitere Empfehlung mehr für Bisky.

Der Linkspartei-Chef war bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags am 18. Oktober in drei Wahlgängen durchgefallen. Zweimal hatte der 64-Jährige die absolute und dann auch die einfache Mehrheit verfehlt – zuletzt mit 248 zu 258 Stimmen. Nach einer Vereinbarung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und den parlamentarischen Geschäftsführern aller Fraktionen soll es in der Parlamentssondersitzung am Dienstag nur einen einzigen Wahlgang geben, bei dem die einfache Stimmenmehrheit für Bisky ausreicht.

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