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Politik: Von wegen Toleranz

Die Debatte um die Moschee an Ground Zero schafft Rassisten in den USA eine Plattform

Vor neun Jahren hat 9/11 die Amerikaner vereint. Neun Jahre später stehen rund 5000 Demonstranten nahe Ground Zero. Sie sehen sich genau in diesem Geiste. Doch geht es hier, bei einer Demonstration der Organisation „Stop Islamization of America“ um etwas ganz anderes: Man steht hier nicht vereint, sondern vereint gegen den Islam. In diesem Umfeld wirkt die amerikanische Nationalhymne bedrückend. Im Star-spangled Banner stehen die Zeilen „Die in der Nacht fallende Bombe war der Beweis, dass unsere Flagge noch immer da war“. Diese Zeile wird lauter gesungen. Von fallenden Bomben sehen sich manche Amerikaner in diesen Tagen besser vertreten als von Werten wie Freiheit und Toleranz.

Auf der Bühne, nur ein paar Schritte von Ground Zero entfernt, treten rechtskonservative Blogger und Polemiker auf, unter ihnen nach einer halben Stunde der niederländische Islam-Gegner Geert Wilders. Er fordert laut „Keine Moschee hier“, und die Menge skandiert den Slogan. Ansonsten hört man nicht viel von Wilders, denn die schwache Lautsprecheranlage kann sich gegen die Menge nicht durchsetzen. Wer vom Programm auf der Bühne nichts mitbekommt, tut seine eigene Meinung kund: Mitten in der Menge geraten Islam-Kritiker an liberale New Yorker, die auf Schildern „Umarmungen umsonst“ fordern und zu Toleranz aufrufen. Zwei Moslems versuchen, ihre Seite der Debatte zu erklären, werden aber niedergeschrien und schließlich von der Polizei weg eskortiert, bevor sie überhaupt richtig in die Menge vordringen können.

Tagelang drohte eine groß angelegte Koranverbrennung in Florida den neunten Jahrestag der Terroranschläge des 11. September 2001 zu dominieren. Am Samstag waren aber doch alle Blicke auf New York gerichtet, nicht zuletzt, weil Pastor Terry Jones, dessen sektenähnliche Kirche mit der Koranverbrennung gedroht hatte, selbst zum Ground Zero kam. Dort traf er sich mit anderen Islamgegnern – und mit dem Imam der geplanten Moschee in der Nähe vom Ground Zero.

Vor der Demonstration war die Lage angespannt. Auch wenn Jones dem US-Sender NBC sagte, er werde endgültig auf die Verbrennung des Koran verzichten, konnte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Islamfeindlichkeit in den USA verstärkt hat. Der Dreh- und Angelpunkt der Debatte ist dabei die Moschee am Ground Zero. Sie ist streng genommen keine Moschee, sondern ein islamisches Kulturzentrum. Auch soll das Zentrum nicht direkt am Ground Zero gebaut werden, sondern zwei Häuserblocks weiter nördlich in einem Gebäude, in dem einmal ein Modediscounter untergebracht war. Moschee-Befürworter spotten seit Wochen über Moschee-Gegner, die Ground Zero als „heiligen Grund“ sähen. Denn rund um den Ort des Unglücks stehen nicht nur Discounter, sondern auch Fast-Food-Läden und Strip- Clubs.

Dass die Nähe zum Ort des größten von islamischen Extremisten verübten Anschlags viele New Yorker stört, ist nachvollziehbar. Und doch war nicht zu erwarten, dass die Emotionen so hoch kochen würden. Ein großer Teil der amerikanischen Öffentlichkeit scheint den gesamten Islam mit seinen extremsten Vertretern gleichzusetzen. Ausgerechnet im liberalen und weltoffenen New York zeigt sich, dass das „Land der Freiheit“ eben doch ein bisschen mehr bigott, intolerant und auch ein bisschen weniger frei ist, als man es wahrhaben will.

Ein halbes Jahrhundert nach Martin Luther King soll der Zorn über die Wirtschaftspolitik des amerikanischen Präsidenten Barack Obama bei vielen nur kaschieren, dass sie keinen Schwarzen im Weißen Haus haben wollen. Bigotterie hat in den USA viele Gesichter: Die Konservativen wollen die Abtreibung verbieten, weil in der befruchteten Eizelle bereits von Gott gegebenes Leben zu erkennen sei. Amerikaner, die so argumentieren, befürworten häufig auch die Todesstrafe. Und unter jenen, die mit Stolz auf die in der Verfassung festgelegte Religionsfreiheit verweisen, sind viele, die nur ihre eigene Religion geschützt sehen möchten.

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