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Vorbereitungen. In der Messehalle 13 in Hannover beginnt am Montagabend der CDU-Bundesparteitag.

© dpa

Vor dem CDU-Parteitag: Morgenröte oder Abenddämmerung

Die CDU sucht ihren Platz zwischen Konservatismus und Modernität. Jüngstes Beispiel dafür ist die Kontroverse über die steuerliche Gleichstellung der Home-Ehe. Was ist vom CDU-Parteitag zu erwarten, der am Montag in Hannover beginnt?

Von Robert Birnbaum

Dr. Wolfgang Dippel ist ein Mann von forschen Worten. „Bundes-CDU läuft dem Zeitgeist hinterher!“ hat der Fuldaer Bürgermeister im August der lokalen Presse mitgeteilt, zornig nachgefragt, wo in seiner Partei das Konservative bleibe und zum Schluss der Philippika angekündigt, dass sich die Basis verstärkt zu Wort melden werde, „sonst machen die Führungsspitzen in Berlin, was sie wollen“. Das Ergebnis der Dippel’schen Sommeroffensive steht im Antragsbuch zum CDU-Parteitag, Seite 265, Antrag C 1: „Eine steuerliche Gleichstellung von eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften im Ehegatten-Splitting lehnt der Bundesparteitag ab.“ Seither ist in der CDU mal wieder Kulturkampf angesagt.

Überraschend kommt er nicht. Fulda mag hinter den sieben hessischen Bergen liegen und erzkatholischer sein als ganz Bayern zusammen; trotzdem steht der Bürgermeister Dippel für jene ehemals Tonangebenden in der CDU, die sich in der eigenen Partei heute als bedrohte Art empfinden. Sich gegen die großen Modernisierungsschübe zu stemmen – den Atomausstieg, das Ende der Wehrpflicht, die Annäherung an Mindestlöhne und Frauenquoten –, sind sie zu schwach. Widerstand gegen die Euro-Rettungspolitik der Kanzlerin Angela Merkel zu leisten trauen sich die meisten schon gar nicht – die CDU, auch und gerade ihre Konservativen, ist Machtpartei genug, um ihrer Chefin nicht im Ernst zu schaden. Da bleiben also nur die „weichen“, die gesellschaftspolitisch symbolträchtigen Themen als Kampffeld für den Widerstand.

Das Thema Homo-Ehe ist nicht das einzige, an dem sich auf dem Parteitag Debatten entzünden dürften. Nach wie vor schwelt der Streit mit der Gruppe der Frauen, die für Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, endlich die Gleichstellung erreichen wollen. Die Zusage der eigenen Partei- und Fraktionsspitze, sich dafür stark zu machen, war beim Parteitag vor einem Jahr die Stillhalteprämie für die Frauen im Streit um das Betreuungsgeld. Passiert ist nichts. Die Angleichung sei wünschenswert, sagen praktisch alle, aber leider derzeit unbezahlbar. Doch die CSU – wie immer großzügig, wenn Bayern es nicht zahlen muss – hat die Gleichstellung der 1992er beschlossen. Da wollen sich die CDU-Frauen nicht mit der nächsten Prüfungszusage begnügen.

Aber die Frage, die diesem Streit zugrunde liegt, ist keine prinzipielle, sondern eine pragmatische. Beim Steuerprivileg für die Ehe geht es ums Prinzip, ein Gefecht der „alten“ CDU gegen eine „neue“. Die repräsentieren konkret jene jüngeren Bundestagsabgeordneten, die – neuerdings als „Wilde Dreizehn“ apostrophiert – den Gegenantrag zum Fuldaer Vorstoß vorlegen: Die CDU möge endlich anerkennen, dass die homosexuelle Partnerschaft genau zu dem gleichen gegenseitigen Einstehen verpflichte wie die Ehe – und dass dieser Pflicht dann auch das gleiche Recht entsprechen müsse.

Der CDU-Parteitag kann beschließen, was er will – das letzte Wort hat das Karlsruhe

Vorbereitungen. In der Messehalle 13 in Hannover beginnt am Montagabend der CDU-Bundesparteitag.
Vorbereitungen. In der Messehalle 13 in Hannover beginnt am Montagabend der CDU-Bundesparteitag.

© dpa

Wie das Gefecht ausgeht, ist offen, dass es stattfindet hingegen nicht. Anders als sonst bei heiklen Themen haben Merkel und die Parteiführung diesmal keinen Formelkompromiss im Vorfeld erzwungen. Im Gegenteil: „Der Parteitag ist der richtige Ort für eine solche Entscheidung“, hat Merkel gerade der „Bild am Sonntag“ gesagt. Und Generalsekretär Hermann Gröhe hat als Chef der Antragskommission den Fuldaer Antrag so umformuliert, dass Dippels Furor nicht mehr ganz so deutlich aufscheint.

Was auf den ersten Blick als Verwässerung erscheint, könnte im Effekt den Antragsteller gerettet haben. Aus dem Satz aus Fulda „Der CDU-Bundesparteitag wendet sich entschieden gegen jeden Versuch, die Förderung und steuerliche Privilegierung der von unserer Verfassung besonders geschützten Ehe und Familie zu schwächen“ riecht es streng nach Homophobie und Untergang des Abendlandes – da hätte kein Parteitag zustimmen können. Gröhes politisch korrekte Formeln („Wir werben für Toleranz und wenden uns gegen jegliche Form von Diskriminierung.“) umschifft diese Klippe, bleibt in der Sache gleichwohl hart: Kein Homogattensplitting.

Diesen Kurs verficht im Prinzip auch die Unionsspitze – mit bemerkenswerten Ausnahmen und Varianten. Fraktionschef Volker Kauder ist klar gegen ein Steuerprivileg für eingetragene Partner. CSU-Chef Horst Seehofer ist es auch. Julia Klöckner, Parteichefin in Rheinland-Pfalz und Bewerberin um einen der Vize-Bundesposten, plädiert hingegen für die Gleichbehandlung. Und Merkel? „Ich persönlich“, sagt die Parteichefin, „möchte die steuerliche Privilegierung der Ehe beim Splittingtarif erhalten, weil unser Grundgesetz die Ehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Familie sieht.“

Mit anderen Worten: Alles Ansichtssache. Merkel streichelt so ein bisschen ihre verbliebenen konservativen Truppen – im Wahljahr 2013 kommt es auf jede noch so murrende Unterstützung an –, lässt aber deren Kulturkampfpathos abprallen. Die CDU hat lange gebraucht, um das Altmännerbündlerische abzulegen; bis heute quittieren ihre Wahlergebnisse in den Städten, wie stark der Muff-Verdacht trotzdem noch an ihr haftet. Die Parteichefin hat kein Interesse daran, den Verdacht zu befördern.

Aber noch etwas weiß Merkel: Der CDU-Parteitag kann beschließen, was er will – das letzte Wort hat das Bundesverfassungsgericht. Ein Urteil wird demnächst erwartet. Wie es ausfallen dürfte, haben die Richter schon im Juni in einem Urteil zur Beamtenbesoldung aufgezeigt: Das Schutzgebot der Ehe in der Verfassung sei allein nicht Grund genug, um andere, vergleichbar verbindliche Lebensgemeinschaften zu benachteiligen. Das war deutlich. Verwunderlich ist es nicht. Dass von der Homo-Ehe nichts im Grundgesetz steht, hat schließlich einen ebenso schlechten wie historisch überholten Grund: Als die Verfassung geschrieben wurde, war Homosexualität hierzulande noch auf Jahrzehnte hinaus eine Straftat.

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