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Ein Totenkopf mit der Aufschrift G7 am Eingang zum Protestcamp der Gipfel-Gegner in Garmisch-Partenkirchen (Bayern).

© dpa/Michael Kappeler

Vor dem G-7-Treffen in Elmau: Was die Gipfel-Gegner wollen

Am Wochenende beginnt auf Schloss Elmau der G-7-Gipfel der führenden Industrienationen. Die Gegner machen schon mobil. Ihr Protestcamp in idyllischer Umgebung bei Garmisch Partenkirchen wächst. Was wollen die Protestierer? Was treibt sie an?

Die ersten Gegner haben ihre Zelte bei Garmisch-Partenkirchen aufgebaut. Das Protestcamp wächst vor malerischer Idylle. Die Loisach fließt vorbei, im Hintergrund erhebt sich die Zugspitze. Schwitzende Männer von der „Kuhlen Wampe“ – das ist ein Motorradclub – bauen Zelte und Dixie-Klos auf. Unweit davon werden sich am Wochenende die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen treffen.

Warum protestieren die Gegner?

Die Gegner des G-7-Treffens sind mit der Politik der großen Industrienationen nicht einverstanden. Grob gesagt, werden die G-7-Staaten – vor allem die USA – verantwortlich gemacht für Ungerechtigkeiten auf der Welt, für das Elend in den armen Ländern, Kriege und Umweltzerstörung. Es wird unterstellt, dass auf dem G-7-Treffen die Interessen der Industrieländer weiterhin auf Kosten von Drittwelt-Staaten durchgesetzt werden sollen. Die Linke etwa meint, Abkommen westlicher Länder dienten „immer mehr den Konzernen und den Reichen statt der großen Masse der Bevölkerung“. Insgesamt geht es den Gegnern darum, der Bevölkerung und den tagenden Vertretern der G-7-Staaten zu zeigen, dass sie eine solidarischere und ökologische Politik wollen. Im Aufruf des Bündnisses „Stop G7“ wird verlangt, Freihandelsabkommen wie TTIP nicht umzusetzen („die Welt ist keine Ware“), auch wird gefordert: „Schluss mit den Kriegen der Nato-Staaten.“

Wer sind die Gegner?

Eine außerordentlich bunte Schar stellt sich gegen den Gipfel. Dabei ist eine Spaltung zu erkennen in eher moderate und radikale Kräfte. Die gemäßigten Gruppen sind hauptsächlich in München aktiv, während es die extremeren nach Garmisch-Partenkirchen zieht, in die Stadt, die 18 Kilometer Fahrtweg vom Gipfelort Elmau entfernt liegt. Zu den Kritikern, die sich in München treffen, zählen etwa Attac, die Grünen, Linke, der Bund Naturschutz in Bayern, Welthungerhilfe und die kirchlichen Entwicklungshilfeorganisationen Misereor (katholisch) und Brot für die Welt (evangelisch).

Naturschützer lehnen vor allem den Ort des Gipfels ab – Elmau liegt in einem Landschaftsschutzgebiet inmitten der ökologisch sensiblen Alpen. In Garmisch-Partenkirchen wiederum haben eher linke bis linksradikale sowie autonome Kräfte das Sagen. Zu den Aktivisten zählen etwa die „Interventionistische Linke“, die „Organisierte Autonomie“ (OA) oder auch eine Gruppe, die sich „Tierbefreiung goes blockupy“ nennt. Die OA etwa spricht im Zusammenhang mit G7 von den „weltweiten Verbrechen der herrschenden Klasse“, zu der man die „direkte Konfrontation“ herstellen müsse.

Wie sind sie organisiert?

Die Vernetzung erfolgt fast ausschließlich digital über das Internet und verschiedene Foren und Gruppen. Die Aktivisten arbeiten ehrenamtlich. Benjamin Ruß etwa, Sprecher des Aktionsbündnisses „Stop G7“, klagt, dass er seit Monaten kein Geld verdienen konnte. Bei den gemäßigten Gegnern ist vor allem die „Rosa-Luxemburg-Stiftung“ der Linken sehr aktiv mit der Organisation.

Gibt es internationale Hilfe?

Die bayerische Polizei hält sich dazu bedeckt und teilt mit, dass dazu „keine verlässlichen Zahlen“ vorliegen. Als sicher gilt aber, dass vor allem aus Italien Gegner anreisen werden. An der Grenze zu Österreich kontrolliert die Polizei. Die Gegner wollen ihren Aktivitäten eine internationale Bedeutung geben. So sagt Bündnis-Sprecher Ruß, dass in Garmisch-Partenkirchen auch Aktivisten aus Lateinamerika, dem Mittleren Osten, Indien und Südafrika erwartet werden.

Werden militante Kräfte die Gelegenheit nutzen, um gewalttätig zu werden?

Davon sind die Polizei und das bayerische Innenministerium überzeugt. Die Polizei stelle „grundsätzlich eine deutliche Mobilisierung gewaltbereiter Gipfelgegner fest“, sagt Sprecherin Veronika Wackerl. Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) werden bei der Großdemonstration am Samstag in Garmisch-Partenkirchen 2000 bis 3000 gewaltbereite Gipfel-Gegner erwartet. Insgesamt wird mit 10000 bis 15000 Teilnehmern gerechnet. Ein Übernachtungscamp der Gegner am Rande der Stadt wurde nun gerichtlich genehmigt, gestern begannen etwa 200 Aktivisten mit dem Aufbau der Zelte. Ein solches Camp wollte die Polizei verhindern, da sie es als mögliche Keimzelle von Gewalt ansieht. Unklar ist, inwieweit die Blockupy-Gruppe in Garmisch präsent sein wird. Aus deren Umfeld kam es im März in Frankfurt am Main bei der Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank (EZB) zu schweren Krawallen mit Steinwürfen und brennenden Autos.

Wie sieht das Polizeikonzept aus?

Die gigantische Zahl von 24000 Polizisten soll den Gipfel schützen. Ein Großteil der Beamten ist dabei in Garmisch-Partenkirchen. Auf den Zufahrtsstraßen gibt es Kontrollen, verdächtige Gegner sollen schon vorab festgesetzt werden. In Garmisch-Partenkirchen wird die Polizei vor allem das Geschehen auf dem Camp-Gelände auf Schritt und Tritt verfolgen. Zu erwarten ist auch, dass die Beamten mögliche gewaltbereite Gegner nicht aus den Augen lassen und sozusagen neben ihnen herlaufen werden. In ein großes, ehemals von der US-Armee genutztes Gebäude, den Abrams-Komplex, sind nun Polizei, Richter und Staatsanwaltschaft eingezogen. Es gibt dort auch Haftzellen. Wer straffällig wird, soll an Ort und Stelle verurteilt werden. Anwälte der Gipfel-Gegner wiederum haben auch Teams in Garmisch-Partenkirchen, die im Notfall rund um die Uhr zu erreichen sind.

Was will der „Gipfel der Alternativen“ erreichen?

In München gibt es ein Gegentreffen zum Elmauer Geschehen: den „Gipfel der Alternativen“. Dieser begann am gestrigen Mittwoch und wird am heutigen Donnerstag fortgesetzt. Globalisierungskritische Gruppen stellen dort Konzepte „für eine ökologische und solidarische Welt“ vor und diskutieren sie. Im Aufruf heißt es, man wolle zeigen, „dass ein anderes Wirtschaften und politisches Handeln möglich ist“. Prominente Teilnehmer des Alternativ-Gipfels sind Jean Ziegler, Soziologe aus der Schweiz und ehemaliger UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, sowie die indische Wirtschaftsprofessorin Jayati Ghosh.

Am heutigen Donnerstag – in Bayern ist Fronleichnams-Feiertag – wird es in der Münchner Innenstadt eine große Demonstration geben unter dem Motto „TTIP stoppen, Klima retten, Armut bekämpfen“. Erwartet werden 15000 Teilnehmer, Redner sind neben Ziegler zwei aus Bayern stammende Politiker: Toni Hofreiter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, sowie Klaus Ernst von der Partei Die Linke. Die Demonstration soll nach dem Willen der Veranstalter „familienfreundlich“ sein, das heißt, es werden keine Ausschreitungen erwartet. Familien können also mit ihren Kleinkindern kommen, ohne Auseinandersetzungen fürchten zu müssen. Doch auch in München gibt es andere Formen des Protestes.

Mittwochfrüh ketteten sich Tierschützer und G7-Gegner an vier Toren des Münchner Schlachthofes fest, sie hatten etwa 30 Unterstützer. Damit wollten sie gegen die „Ausbeutung von Tier, Mensch und Natur“ kämpfen. Ein weiterer Slogan lautete: „Gemeinsam gegen Staat und Kapital.“ 100 Polizisten waren im Einsatz, es wurden Anzeigen wegen Nötigung erstattet.

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