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VOR DEM G-8-GIPFELDie schwierige Suche nach Wegen aus der nahenden Katastrophe: Keine Lösung für Klimastreit

In Heiligendamm wird weiter verhandelt / EU-Kommissionspräsident Barroso fordert verbindliche Ziele

Berlin - Wenn sich am heutigen Dienstag die Sherpas der G-8-Staaten ein letztes Mal zusammensetzen, um strittige Fragen des Schlussdokuments für den Gipfel in Heiligendamm zu diskutieren, wird es keine Lösung für den Klimastreit geben. Das Thema wird nach Auskunft von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm die Staats- und Regierungschefs selbst beschäftigen. Am Montag zeichnete sich ab, dass Kanada sich wohl nicht hinter dem amerikanischen Präsidenten George W. Bush und dessen Klimainitiative verstecken wird. Kanadas Premierminister Stephen Harper sagte Merkel am Montag Unterstützung zu: „Alle Länder müssen ehrgeizig bleiben, damit das Ziel, die Kohlendioxidemissionen bis 2050 um 50 Prozent zu reduzieren, erreicht werden kann.“

An einem Punkt bekam Merkel auch Unterstützung aus China. Im Gegensatz zum amerikanischen Präsidenten will Peking die Klimaverhandlungen nicht in ein Staatenbündnis der Länder mit den höchsten Emissionen ausgelagert sehen. Der Vorsitzende der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, Ma Kai, sagte in Peking, die Bush-Initiative könne eine Ergänzung zum Kyoto-Prozess sein, aber kein Ersatz. Im Kyoto-Protokoll haben sich die Industriestaaten verpflichtet, bis 2012 ihre Treibhausgasemissionen um 5,2 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Allerdings will sich China nicht auf eine Begrenzung der eigenen Emissionen verpflichten lassen. „China wird sich auf keine Quoten zur Reduzierung von Emissionen festlegen“, sagte Ma. Und auch das Ziel, die globale Erwärmung auf zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung (1750) zu begrenzen, entbehrt nach Ansicht Mas der wissenschaftlichen Grundlage. Für die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist dieses Ziel in Heiligendamm dagegen „nicht verhandelbar“.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso betonte, es sei trotz der chinesischen Zurückhaltung äußerst wichtig, beim Klimaschutz mit dem Land zusammenzuarbeiten. „Es produziert auf lange Sicht die meisten Emissionen“, sagte Barroso nach einem Treffen mit seiner zwölfköpfigen Beratergruppe zu Energie- und Klimafragen in Berlin. Chinas Ankündigung zum Klimaschutz sei wie die der USA ein „Schritt in die richtige Richtung“. Allerdings sei es allein mit Lippenbekenntnissen nicht getan: „Wir brauchen jetzt verbindliche, messbare und durchsetzbare Ziele.“

Mit Blick auf den Gipfel in Heiligendamm verwies Barroso auf die aktuelle Emissionsstatistik. Danach sind die sieben führenden Industrienationen, Russland und die Schwellenländer China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika derzeit für 75 Prozent der Treibhausemissionen verantwortlich. „Wir haben den Rubikon überschritten“, sagte Barroso. „Es geht nicht mehr darum, ob die Welt handelt, sondern wie und wann.“ Die Europäische Union habe mit ihren im März vereinbarten Zielen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes eine Vorreiterrolle übernommen. Wer innerhalb der EU die Führung bei der Umsetzung dieses Ziels übernimmt, sei allerdings noch unklar, sagte Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, dem Tagesspiegel. „Deutschland und einige andere werden die Lokomotive spielen müssen“, sagt Schellnhuber, der Experte in Barrosos Beraterteam ist und auch die Bundesregierung in Klimafragen berät. Wie die Lasten des Klimaschutzes konkret verteilt werden könnten, werde möglicherweise schon beim nächsten Treffen der Beratergruppe im portugiesischen Sintra im Herbst auf der Agenda stehen.

Das SPD-Präsidium beschloss unterdessen ein 15-Punkte-Programm für eine neue Klima- und Energiepolitik, mit dem die Sozialdemokraten die Führungsrolle in der großen Koalition beim Thema Klimaschutz für sich beanspruchen wollen. Danach sollen die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden, ohne auf den Atomausstieg zu verzichten. Seine Partei wolle beim Klimaschutz „Motor“ sein, sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil am Montag.

Zur Reduzierung der Treibhausgase fordert die SPD unter anderem einen drastischen Ausbau der erneuerbaren Energien. Deren Anteil an der Stromerzeugung soll von zwölf Prozent im Jahr 2006 auf mindestens 27 Prozent im Jahr 2020 steigen. Dazu will die SPD etwa die Windenergie auf hoher See ausbauen sowie Biomassekraftwerke fördern. Außerdem soll den Plänen der SPD zufolge gesetzlich vorgeschrieben werden, dass Neubauten und grundlegend sanierte Altbauten künftig mindestens 15 Prozent ihres Wärmebedarfs aus erneuerbaren Energiequellen beziehen müssen. Zugleich soll der Stromverbrauch durch mehr Energieeffizienz um elf Prozent zurückgefahren werden.

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