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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

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Update

Vor dem Parteitag der CDU: Das O-Wort ist tabu

Am Montag beginnt der Parteitag der CDU. Das Wort „Obergrenze“ kommt im Leitantrag nicht vor. Er kommt aber den Kritikern entgegen.

Von Robert Birnbaum

Über Grenzen zu reden, ohne „Grenze“ zu sagen, ist ein kniffeliger Auftrag. Innenminister Thomas de Maizière und seine Mitstreiter finden aber, dass sie das Kunststück geschafft haben. In dem Leitantrag zur Flüchtlingsfrage, den der Innenminister und die Vize-Parteichefs Thomas Strobl und Julia Klöckner am Donnerstag vorlegen, finden sich weder „Obergrenzen“ noch „Grenzen der Belastbarkeit“. Aber er enthält eine Formel, die deutlich macht, dass auch die deutsche Willkommenskultur endlich ist. Viele Flüchtlinge setzten alle Hoffnung auf uns, heißt es in der entscheidenden Passage. „Deutschland hat starke Schultern und ist bereit, seinen Teil der Verantwortung zu übernehmen. Doch kein Land, auch nicht Deutschland, kann diese Hoffnung alleine erfüllen.“

Die Formulierung steht mit Angela Merkels Segen in dem 18 Seiten starken Leitantrag, den der CDU-Vorstand am Sonntag unmittelbar vor dem CDU-Parteitag in Karlsruhe beschließen soll. Eigentlich beschreibt sie eine Selbstverständlichkeit: Auch das reiche Deutschland kann nicht alle nehmen, die auf der Flucht sind.

Aber weil sie das nie so deutlich gesagt hat, im Gegenteil betont hat, dass das Asylrecht keine Obergrenze kenne, fragen sich selbst Teile ihrer eigenen Partei, ob für die Chefin diese Selbstverständlichkeit noch gilt. Die Folge sind Anträge für den Parteitag, die das Prinzip mit dem Holzhammer festhauen wollen: „Obergrenzen“ fordert die Junge Union, die Grenzen der Belastbarkeit erreicht sehen Kommunal- und Wirtschaftspolitiker.

Doch „Obergrenzen“ sind für Merkel spätestens seit dem Moment tabu, als sie sich beim CSU-Parteitag von Horst Seehofer wie eine verstockte Schülerin behandeln lassen musste. In der Sache hält sie das Wort für eine Scheinlösung, die ein Ende des Zustroms suggeriert ohne zu sagen wie. De Maizière findet jetzt, es gehe auch ohne das O-Wort: „Wir haben andere Formulierungen gewählt, und wir glauben, die sind besser.“

Entweder Osteuropa macht mit, oder es ist mit offenen Grenzen vorbei

Das könnte am Ende sogar aufgehen. Denn der Antrag kommt den Kritikern der Willkommenskultur noch an einem zweiten Punkt entgegen. Ironischerweise stammt die Idee von Merkel selbst; die Kanzlerin hat sie erstmals in der Haushaltsdebatte im Bundestag präsentiert. Jetzt steht sie in dem Beschlussentwurf: Nur wenn es gelinge, wieder einen „strikten Schutz der Außengrenzen“ der EU zu garantieren, werde das Schengen-System dauerhaft aufrecht zu erhalten sein. Dahinter verbirgt sich eine klare Botschaft: Entweder Europa verständigt sich in der Flüchtlingsfrage auf einen gemeinsamen Kurs – oder mit den offenen Grenzen ist es vorbei. Merkels Bemerkung zielte damals vor allem auf die widerspenstigen Regierungen in Osteuropa. Für die stellt die Aussicht auf LKW-Schlangen an der Grenze zu ihrem wichtigsten europäischen Transitland eine sehr ernste Drohung dar.

Für die deutsche Debatte ist ein anderer Aspekt entscheidend. Mit dem Hinweis auf Schengen greift der Antrag die Forderung der Kritiker auf, nationale Maßnahmen in Aussicht zu stellen, falls Merkels europäisch-türkischer Weg der Kooperation und Lastenteilung scheitert. Davon war bisher keine Rede. De Maizière weigert sich auch, den Fall auszumalen.

„Wir wollen Schengen erhalten“, betont der Minister, da werde er jetzt keine Phantasie auf das Nicht-Gelingen verwenden. Aber dass das Scheitern kein Tabu mehr ist, macht er mit vielen Beiworten deutlich. Von Zurückweisung von Flüchtlingen an der Grenze zu reden, wäre „jetzt“ das falsche Signal; nationale Maßnahmen solle man nicht „vorschnell“ ergreifen. Und überhaupt: „Wenn dieser Zeitpunkt erreicht wäre, müsste man handeln und nicht vorher darüber reden.“ Aber erst muss der Parteitag entscheiden, ob ihm dies alles reicht. De Maizière, naturgemäß, glaubt daran: „Wir hoffen, dass wir mit dieser Linie gut in den Parteitag und aus dem Parteitag wieder raus kommen.“

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