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SPD-Parteichef Martin Schulz demonstriert seit Monaten eklatante Führungsschwäche.

© Michaela Rehle/REUTERS

Vor dem Parteitag: Misstrauensvotum der SPD gegen sich selbst

Martin Schulz beharrt nach zwei Jahren einer möglichen Zusammenarbeit mit der Union auf einer kritischen Bestandsaufnahme. Dabei kann er nur verlieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Til Knipper

Martin Schulz gehört nicht zu den strategischen Genies in der deutschen Politik. Das demonstriert er in schon fast ermüdender Regelmäßigkeit seit seiner Kür zum Kanzlerkandidaten der SPD vor fast genau einem Jahr.

Nun stellt er kurz vor dem entscheidenden Parteitag am Sonntag eine Bedingung für Koalitionsverhandlungen mit der Union, die an Absurdität kaum noch zu überbieten ist. Er will unbedingt darauf beharren – wie auch schon im Sondierungspapier schriftlich fixiert – , dass zur Mitte der Legislaturperiode eine Halbzeitbilanz gezogen wird. Nur so könne die SPD entscheiden, ob man mit dem bis dahin Erreichten zufrieden sei.

Das ist nichts Anderes, als ein in den Koalitionsvertrag eingebautes Misstrauensvotum der Sozialdemokraten gegen sich selbst. Man muss es schon fast als konsequent bezeichnen, wie Schulz damit erneut seine eklatante Führungsschwäche untermauert. Als wären die 180-Grad-Wende, die Vorsondierungen, sie Sondierungen, die Sonderparteitage, das abschließende Mitgliedervotum dafür nicht schon Beleg genug gewesen.

Es gibt kein Szenario, in dem sich für die Sozialdemokraten irgendetwas Gutes mit dieser Klausel erreichen lässt. Wollen sie die Koalition vor Ende der Legislatur verlassen, können sie das ohnehin jederzeit tun. Wollen sie über den Koalitionsvertrag hinausgehende politische Ziele in den kommenden vier Jahren umsetzen, steht es ihnen immer frei, ihre Partner aus der Union im Koalitionsausschuss davon zu überzeugen.

Permanente Selbstkasteiung der SPD setzt sich fort

Auf diese Weise wird sich unweigerlich die permanente Selbstkasteiung der SPD immer weiter fortsetzen, die das verwunderte Publikum nun schon seit Monaten beobachten darf. Erst redete man die eigenen Leistungen in der Regierung im Wahlkampf klein, jetzt das aus sozialdemokratischer Sicht erfolgreiche Sondierungspapier.

Mit dem Beharren auf einer Halbzeitbilanz macht Schulz alles noch schlimmer. Er lädt damit parteiinterne Gegner einer Koalition mit der Union geradezu ein, schon in wenigen Monaten das Bündnis und dessen Nutzen für die SPD wieder öffentlich in Frage zu stellen.    

Will Martin Schulz seiner Partei wirklich etwas Gutes tun, führt er sie jetzt in den rettenden Hafen der großen Koalition, hält aber wenigstens sein Versprechen ein, niemals in ein Kabinett unter Merkel einzutreten. Damit könnte er zumindest einen Rest an Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Als Parteivorsitzender des Übergangs müsste er dann in den kommenden zwei Jahren den Generationswechsel in der Partei einleiten. Gelingt ihm das, wäre das nicht das schlechteste politische Erbe.

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