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Deutschland will mehr Geld in die Erhaltung und den Wiederaufbau von Mangrovenwäldern investieren.

© Ricardo Moraes/Reuters

Vor dem UN-Ozeangipfel: Eine halbe Milliarde für die Meere

Entwicklungsminister Gerd Müller legt zwei neue Fonds auf, um neue Meeresschutzgebiete aufzubauen. Beim Schutz von Nord- und Ostsee tut sich Deutschland trotzdem schwer.

Ungewohnt viel Aufmerksamkeit wird in diesem Jahr dem Inselstaat Fidschi zuteil. Premierminister und Außenminister Josaia Voreqe Bainimarama hat nämlich gleich zwei Mal bei wichtigen internationalen Konferenzen den Hut auf: Beim ersten Weltgipfel zum Schutz der Ozeane, der Anfang Juni in New York stattfinden wird, ist er gemeinsam mit Schweden und den Vereinten Nationen Gastgeber, und im November ist er Präsident des 23. Weltklimagipfels in Bonn. Dass die beiden Themen eng zusammenhängen, sagt Bainimarama bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Schließlich „schlucken“ die Weltmeere rund ein Drittel der globalen Kohlendioxid-Emissionen. Ohne diese ozeanische Weltklima-Anlage wäre die Lufttemperatur an Land schon um ein Vielfaches höher.
Genau diesen Gedanken greift nun das deutsche Entwicklungsministerium mit mehreren Finanzierungsinitiativen auf, deren Entwürfe dem Tagesspiegel vorliegen. Am kommenden Montag veranstaltet das Ministerium im Kontext der Global-Solutions-Konferenz der wichtigsten Thinktanks der Welt und des Tagesspiegels eine zweistündige Veranstaltung zum Meeresschutz. Entwicklungsminister Gerd Müller sagte dem Tagesspiegel dazu: „Der Schutz der Meere ist eine Überlebensfrage der Menschheit.“ Schließlich bedeckten Meere mehr als drei Viertel der Erde. „ Ohne sie wären die Folgen des Klimawandels viel schwerwiegender.“ Außerdem stelle das Meer „die Ernährungsgrundlage von Milliarden Menschen vor allem in Entwicklungsländern dar“.

Geld für Meeresschutzgebiete in Lateinamerika

Am Montag wird er zwei neue Finanzierungsinitiativen des Entwicklungsministeriums vorstellen, die genau diese zwei Funktionen der Weltmeere im Blick haben: Der neue „Blue Action Fund“ soll einerseits dazu dienen, den „Zehn-Punkte- Plan Meeresschutz und nachhaltige Fischerei“ des Ministeriums umzusetzen. Es soll andererseits führende Umweltorganisationen mit staatlichen Stellen in Lateinamerika, Afrika und kleinen Inselstaaten zusammenbringen, um wirksamere Schutzgebiete auszuweisen. In einem ersten Schritt sollen in diesem Jahr 24 Millionen Euro ausgegeben werden, um zwölf Meeresschutzzonen in Küstengewässern vor Costa Rica, Panama, Kolumbien und Ecuador zu entwickeln. Mittelfristig will das Entwicklungsministerium für ähnliche Initiativen 500 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Mangroven schützen

Die zweite Initiative soll den Schutz der Mangroven verbessern. Tropische Mangrovenwälder stehen im Brackwasser und sind Ebbe und Flut unmittelbar ausgesetzt. Dort legen viele Fische ihre Eier ab, sie sind also für die Fischerei von elementarer Bedeutung. Zum anderen schützen die Wälder die Küsten vor Flutwellen, die im Zuge steigender Meeresspiegel im Klimawandel häufiger werden. Das Entwicklungsministerium hat beispielsweise in Vietnam bereits Erfahrungen mit dem Wiederaufbau von Mangrovenwäldern gemacht. Nun soll diese Expertise gemeinsam mit der Umweltstiftung WWF auch anderswo Anwendung finden. Rund 2,3 Millionen Euro investiert das Ministerium in den Mangrovenschutz auf Madagaskar vor der Küste Ostafrikas.

Erster Ozeangipfel der Vereinten Nationen

Beim Ozean-Gipfel in New York wird Deutschland auch sein Wissen über die Folgen des Meeresbergbaus zur Verfügung stellen. Vor kurzem haben deutsche Forscher sich nämlich im Mariannengraben im Pazifik angeschaut, wie die Gebiete aussehen, in denen vor 30 Jahren Manganknollen entnommen worden sind, um das Potenzial für eine kommerzielle Nutzung abzuschätzen. In dem Tiefseegebiet, sehe alles „noch genauso aus wie vor 30 Jahren“, sagt ein hoher Beamter, der daraus den Schluss zieht, dass die internationale Empfehlung womöglich lauten müsse, dass in der Tiefsee gar kein Bergbau stattfinden solle. Denn eine Regeneration der Natur sei nicht eingetreten.

Probleme mit dem Meeresschutz von Nord- und Ostsee

Während Deutschland international beim Meeresschutz einen guten Ruf hat, tut sich die Bundesregierung vor den Küsten der Nord- und Ostsee mit der Ausweisung von Schutzgebieten deutlich schwerer. Umweltverbände kritisieren seit Jahren, dass bis heute keine Schutzgebiete nach der europäischen Natura-2000-Verordnung in den Küstengewässern ausgewiesen seien, in denen wirtschaftliche Tätigkeiten wie die Fischerei, der Sandbergbau oder die Ölförderung tatsächlich eingeschränkt oder verboten sind. Selbst im Weltnaturerbe Wattenmeer sind all diese wirtschaftlichen Nutzungen derzeit immer noch möglich.

Nonnengänse auf den Salzwiesen im Nationalpark Wattenmeer.
Nonnengänse auf den Salzwiesen im Nationalpark Wattenmeer.

© Wulf Pfeiffer/picture-alliance/ dpa/dpaweb

Umweltverbände und Opposition im Bundestag befürchten, dass sich mit der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, die der Bundestag kommende Woche in zweiter und dritter Lesung beschließen soll, daran nichts ändern wird. Die grüne Ozeanexpertin Steffi Lemke kritisiert vor allem, dass die Novelle dem Landwirtschafts- und dem Wirtschaftsministerium eine Art Vetorecht gebe, wenn es um die Ausweisung von Schutzgebieten gehe. Darüber freut sich auch Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nicht, die ebenso wie der Bundesrat die Ausweisung von Schutzgebieten zwar „unter Beteiligung“ der betroffenen Ressorts, nicht aber „im Einvernehmen“ mit ihnen ins Werk setzen würde. Allerdings argumentiert das Umweltministerium, dass die in der Ressortabstimmung beschlossene Änderung „faktisch“ nichts ändern würde. Die Geschäftsordnung der Bundesregierung sehe ohnehin Einigkeit vor, heißt es dort. Allerdings würde das Gesetz diese Praxis auch jeder folgenden Regierung vorschreiben, weshalb Lemke den Kampf noch nicht aufgeben will.

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