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Feindbilder in Budapest: EU-Kommissionschef Juncker und der Milliardär Soros.

© Tamas Kaszas,Reuters

Update

Ungarns Regierungschef: Das Orban-Problem plagt die CSU

Ungarns Regierungschef führt eine regelrechte Hass-Kampagne gegen die EU. Die Kritik daran wächst. Wie reagiert der konservative Spitzenkandidat Weber?

Von Robert Birnbaum

Das erste Planungstreffen für das Europawahl-Programm von CDU und CSU war eigentlich ein rundum erfreulicher Termin. Zum ersten Mal ziehen die Unionsschwestern gemeinsam in den Wahlkampf – ein Programm, ein Kandidat. CSU-Mann Manfred Weber ist obendrein der Spitzenkandidat aller Mitglieder der Europäischen Volkspartei (EVP). 

Doch genau dieser Umstand trübte in dieser Woche die Stimmung im Konrad-Adenauer-Haus. Für Weber wird ein sehr spezielles EVP-Mitglied immer stärker zum Problem: Der ungarische Regierungschef Viktor Orban führt eine regelrechte Hass-Kampagne gegen die EU.

Angriffe auf Juncker

Neu ist das nicht, aber  Orban schlägt derart schrille Töne an, dass die bisher geübte Praxis des genervten Weghörens nicht mehr funktioniert. Vorläufiger Höhepunkt ist eine Plakatserie. Zu sehen sind der von Orban zum Feind erklärte US-Milliardär George Soros und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Zu lesen ist, dass „Brüssel“  „das Recht der Mitgliedstaaten auf Grenzschutz schwächen“ und auch sonst Flüchtlingen Tür und Tor öffnen wolle.

Juncker reagierte resigniert-empört: „Gegen Lügen kann man eigentlich nicht vorgehen.“ Aber in einer christdemokratischen Parteienfamilie habe Orban mit seiner Fidesz-Partei nichts mehr zu suchen. Und: „Mein Freund Manfred Weber wird sich auch die Frage stellen, ob er diese Stimmen überhaupt braucht.“

Darauf gibt es eine mathematische und eine politische  Antwort. Weber braucht, um nach gewonnener Europawahl Nachfolger Junckers zu werden, eine Mehrheit im Europaparlament. Die EVP alleine reicht nicht. Absehbar müssen mindestens zwei weitere Fraktionen den Deutschen unterstützen. Auf die derzeit zwölf Fidesz-Abgeordneten, rechnen Webers Unterstützer vor, komme es  gar nicht an.

Komplizen in der CSU

Die Rechnung macht Weber die politische Antwort allerdings nicht leichter. Das liegt nicht zuletzt an gewissen bayerischen Parteifreunden. Vor gerade erst einem Jahr hießen Parteichef Horst Seehofer und Landesgruppenchef Alexander Dobrindt den Ungarn breit lächelnd als Gast der Klausur im Kloster Seeon willkommen. Auf den  Gruppenfotos ist auch Weber zu sehen, wie er widerwillig gute Miene zu dem Komplizen-Spiel machte.

Aber als EVP-Fraktionschef war er eben auch immer der Mann, der Orban und seine Truppe einzubinden versuchte. Das Motiv ist  aus Brüsseler und Straßburger Sicht durchaus verständlich: Wenn die EVP die Fidesz feuern würde, fühlte sich  das für den Moment vielleicht gut an, stärkt aber  auf Dauer das Lager der Nationalpopulisten von Frankreichs Marine Le Pen bis Italiens Matteo Salvini  und treibt so die Spaltung Europas voran. Faktisch hätten heute weder Orban im Rat der Staats- und Regierungschefs noch sein Dutzend Getreuer im Parlament nennenswerten Einfluss auf die europäische Politik, argumentierten Webers Unterstützer. Es sei also besser, ihn durch  Einbindung  zu neutralisieren.

Spitzenkandidat Weber in der Falle

Doch jetzt droht Orban sogar sehr massiven Einfluss zu bekommen – auf Webers Wahlkampf.  Wie der aussehen soll, haben der Spitzenkandidat und die Parteichefs Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder neulich in einem Aufsatz in der FAZ skizziert. „Wir stehen gegen die Feinde Europas auf“, hieß die Überschrift, im Text war von Radikalen die Rede, die „Nationalismen ... schüren“.

Dieses Programm verträgt sich offensichtlich nicht mit Orbans Kampagne. Weber ist das klar, den beiden Parteiführungen auch. In München wird eine Reaktion erwogen, in Berlin heißt es, „im Moment“ halte man noch die Füße still. Die Kanzlerin stellt sich vorerst mal hinter den Kommissionschef: „Ich kann nur so viel dazu sagen, dass Jean-Claude Juncker meine volle Solidarität hat“, versichert Angela Merkel am Donnerstag.

Das ersetzt keine Reaktion des Kandidaten. Nur ist es damit so einfach eben auch nicht. Signale, die nur Politikjunkies verstehen, sind als Gegengift zu schwach. Wer hat schon mitbekommen, dass Weber als einziger EVPler für das Rechtsstaatverfahren der EU gegen Ungarn gestimmt hat? Je klarer sich der CSU-Mann aber gegen Orban positioniert, desto mehr provoziert er  die Frage, wieso die EVP den Mann noch duldet. Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock forderte in der "Rheinischen Post" Konsequenzen: „Man fragt sich schon, was eigentlich noch passieren muss, bevor Manfred Weber seinen Parteifreund Viktor Orban endlich in die Schranken weist und die Fidesz-Partei aus der EVP ausschließt.“

Wie er’s macht, kann es falsch sein. Weber droht da  eine ähnliche Falle wie die, in der sich  Merkels letzter Bundestagswahlkampf festfuhr. Drängte 2017 der Kanzlerin die AfD ihre Themen auf, könnten Orban und die Frage, wie er mit dem üblen Parteifreund umgeht, Webers Kampagne vergiften. Immerhin eins scheint wohl klar: Wenn die CSU zum Wahlkampfabschluss ein Dutzend befreundeter EU-Staats- und Regierungschefs nach München lädt, ist der Ungar in Bayern nicht mehr willkommen.

Weber hat nun Orban unmissverständlich zum Kurswechsel aufgerufen. Die Grundsatzfrage sei, „ob wir alle klar sind“, die Grundwerte der Europäischen Union einzuhalten und durchzusetzen, sagte er im ZDF. „Da gibt es für mich keinen Verhandlungsrabatt, auch nicht für den Viktor Orbán, innerhalb der EVP oder außerhalb der EVP.“

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