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Auf die Plätze, fertig, los: In der Ukraine laufen die letzten Vorbereitungen für die EM.

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Vor der Fußball-EM in der Ukraine: Protestieren - aber wie?

Die Bundesregierung erhöht den Druck auf die Ukraine – aber die deutschen Fußballer werden wie geplant zur EM fahren. Könnten die Sportler vor Ort protestieren?

Die Farbe des ukrainischen Widerstands ist Orange. Doch als Zeichen der Solidarität scheidet sie bei der Fußball-Europameisterschaft aus. Orange ist die Trikotfarbe Hollands, und es ist kaum zu erwarten, dass sich ein deutscher Fußballfan, ein Spieler oder Funktionär in Orange auf die Tribüne setzt, wenn die deutsche Nationalelf bei der EM in Charkiw spielt, wo die frühere Regierungschefin Julia Timoschenko in der Strafkolonie sitzt. Es geht dann gegen Holland.

Dennoch wird die Fußball-EM immer politischer. Angesichts der Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine müssen nun auf einmal auch Fußballspieler und Sportverbände erklären, wie sie sich gegenüber dem Kogastgeber der EM verhalten. Jürgen Klopp, der Trainer des Deutschen Meisters Borussia Dortmund, sagt etwa: „Ich halte die Abläufe in der Ukraine auch für fragwürdig. Aber ich bin ein normaler Kerl. Wenn reagiert werden muss, dann nicht vom Sport, sondern von der Politik.“

Die Handlungsoptionen des Sports reichen vom persönlichen Protest bis zum Boykott. Beides hat im Sport durchaus Tradition, wenn auch die beiden großen Boykotts einige Jahrzehnte zurückliegen und in eine Hochphase des Kalten Kriegs fielen: 1980 bei den Olympischen Spielen in Moskau und 1984 in Los Angeles. Das vielleicht auffälligste Beispiel des politischen Protests beim Fußball spielte sich bei der WM 1974 in Deutschland ab, als Zuschauer beim Spiel Chile gegen Australien das Feld stürmten und mit einer chilenischen Fahne und dem Aufdruck „Chile Si - Junta No!“ auf die Unterdrückung durch das Militärregime von General Pinochet aufmerksam machen wollten.

Die Fan-T-Shirts sind schon bedruckt, die Spieler fahren auf jeden Fall hin. Können sie trotzdem protestieren?
Die Fan-T-Shirts sind schon bedruckt, die Spieler fahren auf jeden Fall hin. Können sie trotzdem protestieren?

© dapd

Mit einem Boykott dieser Fußball-EM hat bislang aber noch niemand gedroht, im Gegenteil, er wird schon jetzt ausgeschlossen. Unter anderem von Wolfgang Niersbach, dem Präsidenten des Deutschen Fußball-Bunds. Oder von Vertretern der Politik. Es geht also um andere Formen des Protests. Zuletzt wurde vor und bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking darüber diskutiert. Das Regime in Peking hatte Aufstände in Tibet niedergeschlagen, darauf wollten Sportler hinweisen. Ein sichtbarer Protest blieb jedoch aus, selbst die vorher umstrittenen Protestarmbändchen mit der Inschrift „Sports for Human Rights“ waren so gut wie nicht zu sehen. Die olympische Charta verbietet ohnehin jegliche Art der politischen oder religiösen Propaganda in den olympischen Sportstätten.

Sorge um ukrainische Oppositionschefin Timoschenko - eine Bilderstrecke:

Ein offener Protest der Spieler ist auch bei der Fußball-EM nicht zu erwarten. Denn wie das Internationale Olympische Komitee untersagt der Europäische Fußballverband Uefa in seinen Verhaltensgrundsätzen „sportfremde Manifestationen“. Gegen Mitgliedsverbände sowie deren Spieler, Offizielle und Mitglieder können bei der Verbreitung „sportfremder Botschaften“ Disziplinarmaßnahmen verhängt werden. Dabei geht es um Zeichen „politischen, beleidigenden oder provokativen Inhalts, durch Geste, Bild, Wort oder andere Mittel“. Auch auf der Ausrüstung dürfen keine politischen Slogans zu sehen sein. Disziplinarmaßnahmen reichen von einer Ermahnung und Geldstrafen über eine Annullierung des Spielergebnisses bis hin zum Widerruf von Titeln und Auszeichnungen. Dieses Reglement gilt explizit auch bei der in sechs Wochen beginnenden Europameisterschaft.

Bleibt das Wort. Den Spielern wird es nicht verboten sein, in Interviews ihre Meinung zu äußern. Hans-Georg Felder, Kommunikationschef der Spielerberatungsagentur Sports Total sagt: „Wir werden unsere Spieler auf das Land und seine Verhältnisse vorbereiten.“ Seine Agentur betreut unter anderem die Nationalspieler Mario Götze und Marco Reus. Dass Spieler sich zu politischen Themen äußern sollen, hat Felder gerade erlebt. Amnesty International wollte Mario Götze dafür gewinnen, auf seiner Facebookseite zu einer UN-Waffenkonvention Stellung zu beziehen.

Mit einer Vorbereitung der Nationalspieler könnten immerhin verbale Entgleisungen vermieden werden wie die von Berti Vogts bei der Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien. Er sagte damals über die argentinische Diktatur: „Argentinien ist ein Land, in dem Ordnung herrscht, ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen.“

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