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© Reuters

Vor der Jemen-Konferenz: Viele Fronten

Jemens Regierung fühlt sich nicht durch Al Qaida, sondern durch Aufständische in Nord und Süd bedroht.

Sanaa/Istanbul - Für den Jemen – ein unterentwickeltes Land mit mageren Ölvorkommen – hat sich die internationale Gemeinschaft in den vergangenen Jahren kaum interessiert. Erst das in den USA vereitelte Flugzeugattentat eines von Al-Qaida-Terroristen im Jemen rekrutierten Nigerianers hat ihre Aufmerksamkeit auf die Terrorzellen gerichtet, die sich im Armenhaus Arabiens häuslich eingerichtet haben. In den Religionsschulen radikaler jemenitischer Prediger finden Terroristen die „Gotteskrieger“ von morgen. In den Stammesgebieten unterhalten sie, von der Staatsmacht weitgehend unbehelligt, Ausbildungslager für den globalen „Dschihad“.

Ob die für diesen Mittwoch geplante Jemenkonferenz in London Fortschritte im Kampf gegen diese Terroristen bringen wird, ist zweifelhaft. Denn die westlichen Regierungen und die jemenitische Führung gehen mit völlig unterschiedlichen Erwartungen zu diesem Treffen. Der Westen hofft, dass die Regierung von Präsident Ali Abdullah Salih den terroristischen Sumpf im Jemen endlich trockenlegt, und zwar militärisch, ideologisch und durch eine Entwicklungspolitik, die den Jemen insgesamt stabiler macht. Die jemenitische Regierung ist dagegen vor allem an Geheimdienstinformationen, Ausrüstung für die Armee und Hilfsprojekten interessiert.

Der Kampf gegen Al Qaida hat für Präsident Salih nicht höchste Priorität. Denn die sunnitischen Terroristen, in deren Augen Osama bin Laden ein ehrwürdiger „Scheich“ ist, sind keine akute Bedrohung für die Herrschaft des Präsidenten, der in Sanaa schon seit 1978 regiert. Aus seiner Sicht sind die schiitischen Rebellen im Norden des Landes viel gefährlicher. Deshalb hat er für seine im vergangenen August begonnene neue Militäroffensive gegen die Anhänger von Abdulmalik al Houthi diesmal sogar die Armee des Nachbarlandes Saudi-Arabien zu Hilfe gerufen. 113 Saudis und Tausende von Jemeniten sind in diesem Krieg bereits gefallen.

Auch die Bestrebungen der „Bewegung des Südens“, die gegen die „korrupte Politik“ der Regierung in Sanaa protestiert und eine Abspaltung der Südprovinzen fordert, ist aus Sicht von Präsident Salih bedrohlicher als die Al-Qaida-Zellen. Denn die Terroristen haben sich vor allem in den Regionen Marib, Abjan, Schabwa und Hadhramaut eingenistet, wo sie von Stämmen beschützt werden, mit denen sich die Regierung nicht auch noch anlegen will.

Auch die Wasserknappheit, die vor allem die Hauptstadt Sanaa bedroht, und die Tatsache, dass die Ölvorräte bald zur Neige gehen, sind aus Sicht der jemenitischen Regierung drängendere Probleme als die kleine Minderheit fanatischer Islamisten, die Jagd auf Touristen machen und versuchen, westliche Botschaften in Sanaa anzugreifen.

Der jemenitische Außenminister Abu Bakr al Kirbi, der zusammen mit Ministerpräsident Ali Mudschawar an der Londoner Konferenz teilnehmen soll, hatte kürzlich eingestanden, dass es wohl ein Fehler war, sich auf die Houthi-Rebellen und die Sezessionsbewegung im Süden zu konzentrieren und den Kampf gegen Al Qaida zu vernachlässigen.

Doch spätestens seit dem verhinderten Attentat auf dem Flug nach Detroit merkt die jemenitische Regierung, dass sie sich auch dieser Front wohl oder übel stellen muss. Denn andernfalls droht sie das Wohlwollen ihrer westlichen Verbündeten zu verlieren, die nicht länger zusehen wollen, wie im Jemen Terroranschläge vorbereitet werden. Die Regierungstruppen haben in den vergangenen Wochen die Zahl ihrer Angriffe auf Al-Qaida-Verstecke in den Stammesgebieten erhöht. Allerdings sind ihre Erfolge nicht so spektakulär wie teilweise behauptet. So dementierte der Chef der schiitischen Aufständischen im Norden kürzlich per Video Berichte über seinen Tod. „All diese Behauptungen sind erfunden und unbegründet“, sagte Abdul Malik al Houthi in einer Aufzeichnung, die am Freitag im Internet zu sehen war. Damit sollten nur die „von den Behörden verübten Massaker an Zivilisten“ gerechtfertigt werden, sagte der Rebellenchef. In ihren Internetforen beschimpfen die Aufständischen Jemens Regierung jetzt ebenso als „Agenten“ der Amerikaner wie die Regierungen in Kabul und Bagdad.

Schon vor der Jemenkonferenz stocken die USA ihre Entwicklungshilfe für Jemen auf. Die staatliche US-Entwicklungshilfeorganisation USAID unterzeichnete ein Abkommen über 121 Millionen Dollar (86 Millionen Euro) mit Sanaa. Anne-Beatrice Clasmann/dpa

Anne-Beatrice Clasmann, dpa

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