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Ein Zeitungsleser am Montag in Nizza. Der Süden Frankreichs gehört zu den Hochburgen des FN.

© Eric Gaillard/Reuters

Vor der Stichwahl Macron gegen Le Pen: Stadt, Land und Frust in Frankreich

Der erste Wahlgang in Frankreich offenbart eine Spaltung zwischen den städtischen Wählern Macrons und den abgehängten Le-Pen-Anhängern. Die sind vor allem auf dem Land zu Hause sind.

Wenn es ein Wort gab, das in den Interviews französischer Politiker am Montag nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl immer wieder auftauchte, so lautete es: „Sperre“. Mit der „Sperre“ („barrage“) ist eine Art politischer Schutzwall gemeint, mit dem die Wahl der Vorsitzenden des rechtsextremen Front National (FN), Marine Le Pen, zur Präsidentin parteiübergreifend verhindert werden soll. So hatte der Parteichef der Sozialisten, Jean-Christophe Cambadélis, bereits am Sonntagabend getwittert: „Die Sozialisten müssen gemeinsam eine Sperre gegen den FN errichten.“

Am 7. Mai kommt es in Frankreich zur Stichwahl zwischen dem unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron und Le Pen. Umfragen sagen Macron dabei einen Erfolg voraus – allerdings immer unter der Voraussetzung, dass das politische Bollwerk gegen den Front National tatsächlich funktioniert und möglichst viele Anhänger der in der ersten Runde ausgeschiedenen Kandidaten in der Stichwahl ins Macron-Lager überwechseln. In der ersten Runde vom Sonntag hatte Macron mit 24,0 Prozent der Stimmen vor Le Pen (21,3 Prozent) gelegen. Auf dem dritten Platz war der Konservative François Fillon (20,0 Prozent) gelandet, gefolgt vom Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon (19,6 Prozent).

Auch Hollande gibt eine Wahlempfehlung für Macron ab

Bevor er erneut auf Wahlkampf-Tour geht, will Macron zunächst am Anfang dieser Woche Gespräche zur Bildung eines parteiübergreifenden Bündnisses führen, das ihm nicht nur einen Erfolg bei der Stichwahl, sondern auch eine ausreichende Unterstützung bei den anschließenden Parlamentswahlen sichern soll. Als erster hatte der in der unterlegene sozialistische Kandidat Benoît Hamon dazu aufgerufen, Macron in der zweiten Runde die Stimme zu geben. Am Montag folgte dann die Empfehlung von Staatschef François Hollande für Macron. Die Teilnahme Le Pens an der Stichwahl sei ein „Risiko“ für Frankreich, sagte er. Auch der ausgeschiedene Konservative Fillon erklärte bereits am Wahlabend seine Unterstützung für den unabhängigen Kandidaten.

Eine unberechenbare Größe: Die Wähler des Linkspopulisten Mélenchon

Als weniger berechenbare Größe gelten dagegen die Unterstützer des Linkspopulisten Mélenchon, die zwar von den Le-Pen-Anhängern vieles trennt. Andererseits gibt es auch Gemeinsamkeiten zwischen Mélenchons Bewegung „La France insoumise“ („das unbeugsame Frankreich“) und dem FN – nämlich die Fundamentalkritik an der EU und die Ablehnung der Globalisierung. So umwarb der Vizechef des FN, Florian Philippot, am Montag die Wähler Mélenchons mit den Worten, dass es unter einem Präsidenten Macron zu einer „kompletten Deregulierung unserer Wirtschaft“ kommen werde.

Mehr als 7,6 Millionen Franzosen stimmten für den FN

In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl hatte der FN einen Stimmenrekord verbucht. Mehr als 7,6 Millionen Wähler stimmten für die rechtsextreme Partei – so viel wie noch nie zuvor. In 47 der 101 französischen Départements lag die FN-Chefin Le Pen in der ersten Runde vorn. Stärkste Kraft war der FN im gesamten Nordosten Frankreichs – mit Ausnahme des Großraums Paris und des Départements Côte-d’Or rund um Dijon. Zudem schnitt Le Pen auch in den FN-Hochburgen entlang der Mittelmeerküste stark ab – abgesehen von Marseille, wo Mélenchon die FN-Chefin auf den zweiten Platz verwies.

Macron erhielt vor allem im Westen Frankreichs Unterstützung. Sein bestes Ergebnis erhielt der Gründer der Bewegung „En Marche“ („In Bewegung“) indes in Paris, wo 34,8 Prozent der Wähler dem Sozialliberalen ihre Stimme gaben. Das ist nicht überraschend: Anders als die Anhänger Le Pens wohnen Macrons Wähler vor allem in den großen Städten und haben in der Regel einen höheren Bildungsgrad als die FN-Wähler. Le Pen setzte bereits wieder am Montag ihren Wahlkampf im Département Pas-de-Calais im Norden fort. „Ich bin die Kandidatin des Volkes“, erklärte die 48-Jährige. In solchen Regionen wie dem Pas-de-Calais sitzt die Stammwählerschaft des FN, die häufig zu den Verlierern der Globalisierung gehört.

TV-Duell am 3. Mai geplant

Wie das Rennen zwischen Macron und Le Pen in den kommenden zwei Wochen verläuft, dürfte auch vom Ausgang des TV-Duells zwischen den beiden abhängen. Die Fernsehdebatte, welche die Sender France 2 et TF1 ausstrahlen wollen, ist für den 3. Mai geplant. Der 39-jährige Macron, der im Fall eines Wahlsieges der jüngste Präsident in der französischen Geschichte wäre, will sich dem TV-Duell nicht verweigern. Im Jahr 2002, als Le Pens Vater Jean-Marie mit dem Front National ebenfalls in die Stichwahl gelangt war, hatte dessen konservativer Gegenkandidat Jacques Chirac noch eine Fernsehdebatte abgelehnt.

Sozialisten und Konservativen macht die politische Revolution zu schaffen

Nicht zuletzt waren die Parteien in Frankreich am Montag immer noch dabei, die politische Revolution zu bewerten, die sich mit dem Ergebnis der ersten Wahlrunde verbindet. Erstmals seit Jahrzehnten sind weder die Konservativen noch die Sozialisten im zweiten Wahlgang einer Präsidentschaftswahl vertreten. Der frühere sozialistische Premierminister Manuel Valls sprach mit Blick auf das miserable der Sozialisten gar vom „Ende einer Geschichte“. Auf der Seite der Konservativen begann derweil die Abrechnung mit dem ausgeschiedenen Kandidaten François Fillon. Der konservative Ex-Regierungschef Alain Juppé erklärte, dass die Niederlage auch mit der Person des Kandidaten direkt zusammenhänge. Gemeint war Fillons Scheinbeschäftigungsaffäre, die ihn den Einzug in die Stichwahl gekostet haben dürfte.

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