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Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles mit ihrem Generalsekretär Lars Klingbeil in Berlin. Foto: Carsten Koall/dpa

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Vor Klausurtagung in Berlin: Warum der SPD in der Groko nur die Zuschauerrolle bleibt

Die Sozialdemokraten rätseln, wie sie sich von der Union befreien können, ohne die Groko zu verlassen. Am Sonntagabend trifft sich die Parteiführung.

Die Ruhe vor dem Sturm ist es nicht. Blitzeinschläge und Donnerbrausen erwartet niemand von der Klausurtagung der SPD-Spitze am Wochenende. Auffallend ruhig wie vor einem Gewitter ist es dennoch bei den Sozialdemokraten. Bis auf SPD-Vize Ralf Stegner, der am Freitag vor einer erneuten Personaldebatte warnte, hört man aus den Reihen der SPD in diesen Tagen: nichts. Die Partei wartet ab – auf das nächste Signal der SPD-Spitze und auf die Entwicklungen in der CDU.

"Erneuerung" und "Fahrplan"

Am Sonntagabend kommt die „engere Parteiführung“ der SPD zu einer Sitzung im Willy-Brandt-Haus zusammen. Das Treffen wird vermutlich bis tief in die Nacht dauern. Am nächsten Tag folgt der 45-köpfige Vorstand. Gäste von außerhalb, wie sie oft zu solchen Klausurtagungen für „Input-Referate“ oder „Impuls-Vorträge“ geladen sind, werden nicht erwartet. Zu sehr ist die SPD mit sich selbst beschäftigt. Die Mitglieder sind frustriert von der Groko, ratlos und verunsichert von der Dauerkrise ihrer Partei. Davon wollen sich die Spitzen-Genossen nun befreien – und am Ende ihrer zweitägigen Klausur eine Antwort liefern auf die Frage: Wie soll es weitergehen?

Nur zwei Punkte stehen auf der Tagesordnung. Erstens, die „Erneuerung“ der SPD, die schleppend anlaufende Parteireform. Zweitens, der „Fahrplan“ für die Groko, den Parteichefin Andrea Nahles und ihr Generalsekretär Lars Klingbeil vor wenigen Tagen formuliert haben. Am Montag soll er vom Parteivorstand beschlossen werden.

Kitas, Rente, Mindestlohn

Beide Themen, die Zukunft der Groko und die Zukunft der SPD, haben eigentlich nichts miteinander zu tun – zumindest beteuert das die SPD-Führung seit Monaten. Man könne durchaus mit der Union regieren und zugleich das eigene, sozialdemokratische Profil schärfen, heißt es. Dass beides aber nicht so leicht zusammengeht, ist nach den krachenden Wahlniederlagen der SPD in Bayern und Hessen auch den letzten Groko-Fans in der Partei klargeworden.

Der „Fahrplan“ von Nahles und Klingbeil soll nun helfen. In dem sechsseitigen „Diskussionspapier“ führen die beiden eine Reihe an Punkten an, die von der Groko so schnell wie möglich beschlossen werden sollen, zum Beispiel bessere Kitas, eine Grundrente oder der Mindestlohn für Azubis. Einigen Vorstandsmitgliedern ist das „Diskussionspapier“ noch zu lasch, sie fordern Verschärfungen. „Da wird sich noch einiges drehen“, heißt es im Willy-Brandt-Haus. Am Montag soll der „Fahrplan“ fertig sein – und bis Ende 2018 mit der Union abgestimmt werden.

SPD bleibt von der Union abhängig

Damit bleibt die Zukunft der SPD von den Konservativen abhängig – so sehr Nahles auch versucht, sich in der Groko von der Union abzusetzen. Man befinde sich in der „Zuschauerrolle“, gesteht einer aus dem Willy-Brandt-Haus ein. Heißt: Die SPD müsse erst einmal abwarten, wohin sich die CDU unter einem neuen Vorsitz bewegt.

Bei einer Gruppe von Nahles-Kritikern aus dem Vorstand ist die Geduld jedoch fast am Ende. In Nahles’ „Fahrplan“ fordern sie eine Notbremse. Im Gegensatz zur SPD-Chefin wollen sie nicht erst im Herbst 2019, sondern viel früher über die Zukunft der Groko Bilanz ziehen – unter Beteiligung der Basis. Denkbar seien ein Sonderparteitag oder einer Mitgliederbefragung. „Ideenreichtum ist vorhanden“, heißt es im Willy-Brandt-Haus.

"Debattencamps" sollen neue Inhalte liefern

Der Druck auf Nahles ist riesig. Sie will dafür sorgen, dass ihre Partei wieder in die Vorhand kommt. Doch viel mehr als sechs Seiten voll mit Spiegelstrichen wird sie am Montag nicht präsentieren können. Thematisch sei die SPD wie ein „riesiges Wimmelbild“, sagt ein Vorstandsmitglied vom linken Parteiflügel. In der Tat zeigen Umfragen, dass eine Mehrheit der Deutschen nicht sagen kann, wofür die SPD eigentlich steht.

Um das zu ändern, veranstalten die Sozialdemokraten am 10. und 11. November ein „Debattencamp“ mit rund 1000 Teilnehmern in Berlin. Auch darum geht es bei der anstehenden Klausurtagung. Bundesgeschäftsführer Thorben Albrecht wird das Konzept vorstellen. Dutzende Themen sollen bei dem „Debattencamp“ zur Diskussion stehen. Der Parteivorstand will die Ergebnisse später umsetzen – nur wie genau, das kann im Willy-Brandt-Haus niemand sagen. Ähnliche Veranstaltungen gab es bereits in der Vergangenheit. Damals verschwanden die von der SPD-Basis formulierten Wünsche jedoch zuerst in Excel-Tabellen und dann im Mülleimer. Manche in Vorstand und Bundestagsfraktion befürchten deshalb, dass der aktuelle „Erneuerungsprozess“ wieder im Sand verläuft. Die dunklen Wolken, die derzeit über der SPD hängen, würden dann noch eine Weile bleiben – mindestens bis zum nächsten Gewitter.

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