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Rechts und bereit für den Straßenkampf (Symbolbild).

© Patrick Pleul/dpa

Erstarken der rechtsextremen Szene: Neonazis rüsten sich mit Kampfsport für den „Tag X“

Neonazis treffen sich zu Turnieren wie dem „Kampf der Nibelungen“ und üben den Straßenkampf. Die Teilnehmerzahl steigt. Politik und Verbände unternehmen nichts.

Mitte Oktober kommen sie im sächsischen Ostritz zusammen, Neonazis und Kampfsportler aus Deutschland und Europa. Seit 2013 treffen sie sich zum „Kampf der Nibelungen“, organisiert von „jungen Deutschen“, die „sich nicht unter das Joch des vorherrschenden Mainstreams“ stellen wollen. Vor sechs Jahren waren es 150 Gäste in geheimer Runde, inzwischen sind es Tausend. Ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung lehnen sie offen ab, der Kampfsport ist für sie nicht „Teil eines faulenden politischen Systems“, sondern „fundamentales Element einer Alternative“.

Für die Neonazis ist der Kampfsport laut Brandenburger Verfassungsschutz Vorbereitung für den „Endkampf der Kulturen“, für den „Tag X“. Die Kämpfer liefern sich einen blutigen, brutalen Schlagabtausch im Ring, fast alles ist erlaubt. Das unterscheidet die „Mixed Martial Arts“ (MMA) von anderen Kampfsportarten.

Die Sicherheitsbehörden sind seit Jahren gewarnt, der Bundesverfassungsschutz stellt im jüngsten Jahresbericht ein „Erstarken der rechtsextremistischen Kampfsportszene“ fest. Veranstaltungen würden zunehmend professionell organisiert mit dem Bemühen, alle behördlichen Auflagen einzuhalten. Extreme Gewalt, rechte Musik und politische Agitation – alles mit behördlicher Genehmigung.

Politik und Sportverbände haben kein Konzept dagegen

Politik und Sportverbände tun sich bislang schwer mit dem Phänomen. „Die Verantwortlichen blockieren sich gegenseitig“, sagt Extremismusforscher Robert Claus von Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit (KoFaS).

An diesem Dienstag stellt er seine Studie zum Kampfsport in der rechtsextremen Szene vor. Die Erkenntnis: Es gibt nicht einmal Ansätze, geschweige denn Maßnahmen zur Prävention, gegen den Trend der Instrumentalisierung des Kampfsports durch Neonazis.

Die Sportpolitik befasst sich bislang nicht mit dem Thema, erkennt MMA nicht als Sport an. „Gleichzeitig arbeiten mehrere Verbände in Konkurrenz zueinander und sind nur bedingt repräsentativ.“ Die Verbände sprechen von „faulen Äpfeln“. Nur ein kommerzieller Veranstalter habe sich glaubhaft positioniert.

Ein gemeinsames Vorgehen, sagt Claus, sei damit unmöglich. „Wenn wir jetzt mit der Prävention anfangen, werden wir die Ergebnisse vielleicht in fünf bis sieben Jahren sehen. Es wäre komisch, wenn wir einen politischen Rechtsruck haben und das nicht auch im Sport sehen würden.“

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Der „Kampf der Nibelungen“ ist das wichtigste Turnier der Szene – und die wagt sich aus der Deckung. Personen, die zu „linksextremen Organisationen“ gehören, die durch „antideutsche“ Äußerungen aufgefallen oder Pressevertreter sind, kann der Besuch verwehrt werden. „Es spricht von gewissem Selbstbewusstsein, dass sie das öffentlich bewerben und keine geheimen Events mehr ausrichten“, sagt Claus.

Turniere dienen der Rekrutierung, wie Fußball und Konzerte

Es treffen sich Neonazis, Rocker und rechtsextreme Fußballfans aus Dortmund, Cottbus, Chemnitz, aber auch aus Russland und der Ukraine. Solche Veranstaltungen hätten wie Fußball und Musikkonzerte eine klare Rekrutierungsfunktion, sagt Claus. Es sei eine Erlebniswelt aus Männlichkeit, Gewalt und Action, die Jugendliche anspricht.

Hinzu kommen Kleidungsmarken, darunter „Greifvogel“ und „Black Legion“ aus Südbrandenburg. Beide Label sind eng verstrickt in die rechtsextreme Szene. In Cottbus beobachten die Sicherheitsbehörde schon ein „toxisches Gebilde“ aus Kampfsportlern, Hooligans und Sicherheitsfirmen.

„Gewalt ist ein grundlegendes Element extrem rechter Ideologie. Dementsprechend interessant ist für Neonazis die im Kampfsport und insbesondere im MMA vermittelte Gewaltkompetenz“, sagt Claus. Das sei eine „Professionalisierung der Gewalt“. Rechtsextreme wollen die Gewalt außerhalb des Rings einsetzen, ihre Körper stählen wie im Nationalsozialismus, fit machen für Angriffe auf politische Gegner und „das System“.

Vor allem im Osten war zu beobachten, als mehrere Hundert Rechtsextreme 2016 das linke Szeneviertel Leipzig-Connewitz verwüsteten oder als in Chemnitz im August 2018 bei einer flüchtlingsfeindlichen Demonstration ein rechter Kampfsportler einen Polizisten einfach zu Boden riss.

Claus fordert ein konsequenteres Vorgehen. Auch kommerzielle Fitnessstudios könnten Stellung beziehen. Ideologisch eingefleischte Neonazis seien ohnehin verloren. „Es geht darum, die positiven Kräfte zu stärken. Was Sport und Politik leisten müssen, ist den Handlungsspielraum der Rechten einzugrenzen.“ Im Fußball dauerte das Jahrzehnte.

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