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Politik: Vorbeugen ist besser als sparen

Von wegen medizinischer Fortschritt. Die saarländische Gesundheitsministerin kam nach Berlin, um der Unionsfraktion die alten Chinesen anzupreisen.

Von wegen medizinischer Fortschritt. Die saarländische Gesundheitsministerin kam nach Berlin, um der Unionsfraktion die alten Chinesen anzupreisen. Deren Ärzte, so Regina Görner, seien erst am Ende eines Jahres bezahlt worden - wenn es ihnen gelungen war, ihre Patienten gesund zu halten. Das deutsche Gesundheitswesen hingegen konzentriere sich aufs Reparieren. Ein "Krankheitswesen", schimpft die CDU-Politikerin. Gerade vier Prozent der Ausgaben entfielen auf Prävention. "Das ist viel zu wenig".

Im Wettstreit um die richtigen Konzepte der überfälligen Gesundheitsreform scheint die Union ihr Thema gefunden haben. Die rot-grüne Regierung, so der Unionsexperte Ulf Fink, sei vor allem auf Krankheitsbekämpfung fixiert - und stelle sich "viel zu wenig die Frage, ob nicht alles getan werden muss, um den Eintritt einer Erkrankung zu verhindern". Damit die Beitragssätze "nicht ins Unermessliche steigen", müsse die Prävention einen "weitaus höheren Stellenwert erhalten als bisher".

In abgeschwächter Form sagt das auch die Bundesgesundheitsministerin. Kaum eine Rede, in der Ulla Schmidt dem Thema nicht ein "Ceterum censeo" widmet. "Wir fördern und fordern mehr Prävention", sagt eine Sprecherin, bei Details muss sie aber passen. Ebenso vage bleibt ihre Chefin. Bestehende Regelungen sollten "gesichtet und gegebenenfalls zusammengefasst werden", meint sie. Und bringt eine "Deutsche Stiftung Prävention" ins Spiel, über die sich der Runde Tisch ja mal Gedanken machen könne.

Reicht nicht, sagt die Union - und beruft sich auf den Sozialmediziner Friedrich Wilhelm Schwartz. 25 bis 30 Prozent der heutigen Gesundheitsausgaben, so hat der Professor aus Hannover errechnet, ließen sich durch konsequente Prävention einsparen. Steigende Lebenserwartung bedeute nicht zwangsläufig mehr Krankheit und höhere Gesundheitskosten. Beispiel Herzinfarkt: Durch Techniken zum Stressabbau ließen sich die tödlich verlaufenden Fälle um 22 Prozent, durch mehr Bewegung sogar um 50 Prozent reduzieren. Beispiel Schlaganfall: Ohne Bluthochdruck, der sich oft schon durch eine andere Lebensweise vermeiden lässt, sinkt die Rate um 40 Prozent.

Ob World Health Report oder Gesundheits-Sachverständigenrat: Dass mehr Prävention not tut, ist unter Experten unbestritten. "Seit 50 Jahren wird darüber diskutiert", sagt Ulf Fink, "jetzt muss endlich was draus werden." Der CDU-Politiker fordert, die Sache im großen Stil anzupacken. Anreizsysteme, ein ressortübergreifendes Aktionsprogramm, ein Bundes-Präventionsgesetz. "Das Thema gehört nicht in ein Ministerium, es gehört auf den Schreibtisch des Kanzlers."

Als Vorbild nennt Fink Großbritannien und Finnland. Seit 1998 läuft Tony Blairs Kampagne "Our Healthier Nation". Und den Finnen gelang es in 25 Jahren, die Herzinfarkt-Todesrate um über 60 Prozent zu drücken. Hier zu Lande überlasse man die Prävention den Krankenkassen, denen es oft nur um Wettbewerbsvorteile gehe.

Gebündelt, nach dem Vorbild der Reha-Vorschriften, mit ordentlicher Finanzierung - so stellt sich die Union die gesetzliche Garnierung vor. Ansonsten: Überzeugungsarbeit und Belohnung, etwa über Beitragsreduzierung oder Zuzahlungsverzicht. Vor allem müsse man "wegkommen von allgemeinen Appellen", meint Regina Görner. "Wir brauchen wenige, klare, im Alltag umsetzbare Botschaften." Geringere Gesundheitsausgaben durch weniger Krankheit - bei solchem Ziel sei mit "politische Grabenkriegen" nicht zu rechnen, sagt Görner. Auch von der Ärztelobby ist Widerstand nicht zu erwarten. Prävention bedeute zusätzliche Arbeit, beruhigt Manfred Richter-Reichhelm, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, seine Klientel.

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