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Politik: Vorbild Schweiz

Britische Unabhängigkeits-Partei will den Austritt

London - Für ein Startgebot von 99 Pence wollte ein Londoner seine Stimmen für die britischen Dreifachwahlen am Donnerstag über Ebay versteigern. Doch niemand hatte Interesse. Denn nirgendwo gehen die Wähler so ungern zu den Urnen wie im Inselstaat. Um es einfacher zu machen, durften Briten nun in vier Wahlregionen nur noch per Briefwahl abstimmen. Das Experiment soll laut Regierung bis zu zwei Millionen zusätzliche Wähler mobilisiert haben. Doch die „Times“ entdeckte Organisationsfehler, sogar Wahlbetrug und sieht bereits eine Welle von Wahlanfechtungen und Prozessen. Trotz dieser Aufregungen dürfte die Wahlbeteiligung am „Super Thursday“, an dem auch noch Kommunalwahlen in England und Bürgermeisterwahlen in London anstehen, nicht besonders hoch gewesen sein. Bei der letzten Europawahl 1999 waren es nur 24 Prozent.

Interessant wurde die Wahl durch die „UK Independence Party“. Die UKIP und ihre von „Denver-Clan“-Star Joan Collins angeführte Prominentenriege machte aus der Europawahl eine Art Probeabstimmung über den britischen Verbleib in der EU. „Dank der UKIP“, schwärmte die konservative Times, „dürfen wir endlich einmal über Europa abstimmen“. Die Partei befürwortet einen raschen Austritt Großbritanniens aus der EU. Ihre Vorbilder sind Norwegen, die Schweiz und natürlich Amerika. Alles wohlhabende, freie und selbstbestimmte Staaten, verkündet die Parteipropaganda. Starkandidat Robert Kilroy-Silk, der von der BBC gefeuert wurde, weil er in einer Zeitungskolumne ein negatives Pauschalurteil über Araber abgegeben hatte, hält die EU für ein Komplott „urbaner Eliten“. Nun läuft ihm das Publikum in Scharen nach.

Kommentatoren, sogar einige Politiker, wiegelten nach Kräften ab. Die Europawahl spiele eigentlich keine Rolle, hieß es. Da werde niemand gewählt, der etwas zu sagen habe. Dennoch wird der Ausgang der Wahl in Großbritannien mit Spannung erwartet. Am Sonntagabend stellt sich heraus, ob die UKIP tatsächlich, wie prognostiziert, über 15 Prozent der Stimmen erhält. Ein derartiges Ergebnis wäre eine Wegmarke – nicht nur für die Briten. Ganz Europa würde aufhorchen, der Streit um die europäische Verfassung würde eine neue Qualität erhalten. Auf der Insel selbst wären die Tories die Verlierer, denn der Erfolg der UKIP geht auf Kosten der Konservativen. Schon freut sich die Labour-Partei über einen neuen Bruderkrieg bei den Konservativen.

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