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Politik: Vordenker im Vorzimmer

Schröders Haus soll schneller werden: Das Kanzleramt bekommt eine neue Europaabteilung, die Planer sind dem Chef künftig näher

Nach Abschluss der Regierungsbildung und des Neuzuschnitts einiger Fachressorts kommt es auch innerhalb des Bundeskanzleramtes zu weitreichenden Neugruppierungen. So wird eine eigenständige Abteilung für Europafragen geschaffen und die bisherige Abteilung fünf, die sich mit politischer Planung beschäftigt hat, aufgelöst.

In der neuen Europa-Abteilung, die von dem Laufbahn-Diplomaten Silberberg geleitet werden wird, sollen die bisher über viele Arbeitseinheiten im Kanzleramt verstreuten europapolitischen Kompetenzen gebündelt werden. Damit soll künftig eine einheitliche Beratung des Bundeskanzlers in Europafragen sichergestellt werden. Hinzu kommt aber vor allem die Bearbeitung ressortübergreifender Fragen wie etwa die EU-Erweiterung, die Finanzierung der Agrarpolitik, industriepolitische Themen, die Ausgestaltung des Binnenmarktes oder der Verfassungskonvent zur Zukunft Europas. Von diesem neuen Schwerpunkt in der Europapolitik des Bundeskanzleramtes verspricht man sich nicht zuletzt die Vermeidung erheblicher Koordinierungsdefizite, die in der Vergangenheit immer wieder sichtbar geworden seien, insbesondere bei wirtschaftsnahen Themen.

Allein durch interne Abstimmungsprobleme sei es beispielsweise über Monate nicht gelungen, eine einheitliche Position der Bundesregierung zur möglichen Zulassung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln herbeizuführen, führt man im Kanzleramt an. Gleichermaßen seien industriepolitische Belange oder der Ausgleich von Umweltanforderungen und Wirtschaftsinteressen intern oftmals nur mangelhaft abgestimmt gewesen. Die frühzeitige Formulierung einer kohärenten Position der Bundesregierung in solchen Fragen sei aber nur möglich, wenn das Bundeskanzleramt rechtzeitig eingebunden werde. Ressortinteressen seien jedenfalls nicht immer deckungsgleich mit deutschen Interessen. Für Umwelt ist der Grüne Jürgen Trittin zuständig, seine Parteifreundin, Verbraucherministerin Renate Künast, in der neuen Regierung zusätzlich für das Gentechnikgesetz.

Auch die Auflösung der bisherigen Planungsabteilung soll interne Abläufe beschleunigen und die Beratung der Kanzleramtsführung verbessern. Gleichzeitig werden zwei zentrale Planungseinheiten direkt ins Büro von Kanzleramtschef Steinmeier verlegt. Ein Referat wird sich um den „Dialog mit der Wissenschaft“, ein weiteres um „politische Planung“ im engeren Sinne kümmern. Der Rest der früheren Planungsabteilung geht in den Fachabteilungen des Hauses auf.

Die Neustrukturierung der „Denkarbeit“ im Kanzleramt soll sicherstellen, dass nicht, wie schon von Schröders Vorgängern beklagt, statt Beratung der Amtsführung eine Art „Privatuniversität“ im Kanzleramt gepflegt wird. Stattdessen erhofft man sich besseren Austausch mit wissenschaftlichem Sachverstand von außerhalb. Gleichzeitig soll die direkte Anbindung der „Denkarbeit“ die politische Relevanz und die Praxistauglichkeit der Planungsarbeit erhöhen.

Peter Siebenmorgen

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