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CDU Wahlparty

© dpa

Vorläufiges Ergebnis: CDU und Grüne hängen Rot-Rot in Berlin ab

Schlappe für Rot-Rot: Nach Auszählung aller Stimmen in Berlin kommen die Christdemokraten auf 24,3 Prozent und die Grünen auf 23,6 Prozent. Die SPD wurde drittstärkste Kraft. Allerdings haben Ost und West wieder einmal unterschiedlich gewählt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit ist enttäuscht. Das sehr schwache Ergebnis der Europawahl 2004 für die SPD habe am Sonntag nicht verbessert werden können. Auch die geringe Wahlbeteiligung sei nicht zufriedenstellend. Es müsse noch stärker herausgearbeitet werden, „was Europa konkret für Berlin bedeutet“, sagte Wowereit. Der SPD-Landeschef Michael Müller sprach sogar von einem „furchtbaren Wahlergebnis“ für seine Partei und von einer „schlimmen Wahlbeteiligung“. Das EU-Parlament und die Brüsseler Kommission müssten sich überlegen, „wie man die Menschen für Europa besser ansprechen kann“.

Nicht nur im Bund, auch in der Hauptstadt sind die Sozialdemokraten der Wahlverlierer. Die Regierungspartei landete wieder nur auf dem dritten Platz. Dagegen gelang es den Grünen, ihr hervorragendes EU-Wahlergebnis von 2004 zu übertreffen und sich als zweitstärkste Partei hinter der Union zu etablieren. Am kräftigsten legte aber die FDP zu. Die Liberalen bekamen 8,7 Prozent der Stimmen, das sind 3,4 Prozentpunkte mehr als bei der letzten EU-Wahl. Die Berliner CDU verlor leicht, aber weniger als die Unionsparteien im Bund. Die Linke konnte ihr Ergebnis von 2004 behaupten.

Für die Berliner Kandidaten bedeutet das Wahlergebnis: Die Europaabgeordneten Dagmar Roth-Behrendt (SPD) und Michael Cramer (Grüne) behalten ihren Sitz in Straßburg. Joachim Zeller (CDU) und Alexandra Thein (FDP) bekommen ebenfalls ein Mandat. Dagegen blieb bis Redaktionsschluss offen, ob auch Martina Michels (Linke) ins EU-Parlament kommt. Rechnet man auch noch den Spitzenkandidaten der Bundes-Grünen, Reinhard Bütikofer, und den politischen Einzelkämpfer und ehemaligen DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz (Grüne) hinzu, die beide ihren Wohnsitz in Berlin haben, stehen die Landes-Grünen in der Europäischen Union personell hervorragend da.

Der Landeswahlleiter wird aber zum ersten Mal darauf verzichten, amtlich festzustellen, wer als „Berliner Abgeordneter“ nach Straßburg reist. Denn das gibt ein Durcheinander, weil Wohnsitz und Nominierungen durch die Landesverbände oft nicht übereinstimmen. Außerdem standen die Kandidaten fast aller Parteien, mit Ausnahme der CDU/CSU, auf Bundeslisten. Es handelt sich also, genau genommen, um deutsche Abgeordnete im Europaparlament.

Das tut der Freude – oder dem Leid – am gestrigen Wahlergebnis keinen Abbruch. Die Grünen zum Beispiel dürfen sich freuen, dass sie in Friedrichshain-Kreuzberg 43,2 Prozent der Stimmen einsammeln konnten. Auch in Pankow und Mitte sind sie die stärkste der Parteien. Große Probleme bei der Wählermobilisierung haben die Grünen aber immer noch im fernen Osten Berlins. In Marzahn-Hellersdorf kamen sie auf nur 9,8 Prozent der Stimmen.

Die CDU steht dagegen in den Innenstadtregionen ganz schlecht da. In Friedrichshain-Kreuzberg sind die Christdemokraten bei der Europawahl auf 9,0 Prozent geschrumpft. Die Union muss sich damit trösten, dass sie in den klassischen Westbezirken, von Reinickendorf bis Steglitz-Zehlendorf, vorne liegt. Das sind jene Bezirke, in denen die Linke (mit Ausnahme von Neukölln) unter oder genau an der Fünfprozenthürde liegt. Das Eldorado der Linkspartei liegt woanders: In Lichtenberg (40,4 Prozent) und Marzahn-Hellersdorf (38,1 Prozent).

Die FDP hat es nicht nur geschafft, in den bürgerlichen Westbezirken Charlottenburg-Wilmersdorf (12,4 Prozent), Steglitz-Zehlendorf (12,6 Prozent) und Reinickendorf (11,0 Prozent), sondern auch in Spandau (10,8 Prozent) zweistellige Wahlergebnisse zu erzielen. Dagegen bleiben die Liberalen im Osten Berlins relativ schwach, mit Ausnahme des Bezirks Mitte.

Im Vergleich zur Europawahl 2004 lässt sich insgesamt sagen: CDU und SPD haben im Westen der Stadt verloren, dagegen haben FDP und Linke dort zugelegt. In den östlichen Stadtteilen haben die Grünen und die FDP Boden gut gemacht, sie legten dort über zwei Prozent zu. Dagegen verlor die Linke im Osten etwa 3,5 Prozent der Wählerstimmen.

Die Wahlbeteiligung am Sonntag war in Berlin katastrophal niedrig. Nur etwa 37 Prozent der wahlberechtigten Berliner demonstrierte mit ihrem Kreuzchen auf dem fast einen Meter langen Stimmzettel mit 31 Parteien ihr Interesse an den politischen Geschicken Europas. An Bundestagswahlen in Berlin beteiligen sich normalerweise mehr als doppelt so viele Wähler. Insofern ist es schwierig, aus dem Ergebnis dieser EU-Wahl auf die Chancen der einzelnen Parteien bei der Bundestagswahl am 27. September 2009 zu schließen. Und auch die schwarz-grüne Mehrheit, die bei der gestrigen EU-Wahl in Berlin rechnerisch zustande kam, bietet mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahl 2011 noch keine gesicherte Prognose für neue Mehrheiten.

Die niedrige Wahlbeteiligung hat, aus rein arithmetischen Gründen, auch zum Erfolg einiger „Exoten-Parteien“ beigetragen. So gelang der Piratenpartei mit 1,4 Prozent der Stimmen ein Achtungserfolg. Mit 3,4 Prozent der Stimmen in Friedrichshain-Kreuzberg wäre diese Liste bei einer Kommunalwahl sogar in die Bezirksverordnetenversammlung eingezogen. Die Rentnerpartei und die Grauen kamen jeweils auf immerhin 0,7 Prozent. Vielleicht auch eine Folge des demographischen Wandels in Berlin. Der Rechtsausleger DVU kam auf 0,6 Prozent der Stimmen. (Seite 10)

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