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Auf Konfrontationskurs: Innenminister Friedrich (CSU) und Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).

© dapd

Vorratsdatenspeicherung: Wenn zwei sich streiten

Noch immer können sich Innenminister und Justizministerin nicht auf einen Gesetzesentwurf zu Datenspeicherung einigen. Wenn bis Donnerstag kein Ergebnis vorliegt, drohen der Bundesregierung ein Strafverfahren und möglicherweise auch Strafzahlungen an die EU.

Von Antje Sirleschtov

Trotz vorösterlicher Ermahnungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Kompromissfähigkeit zeigen Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) keine Bereitschaft, sich kurzfristig auf eine EU-kompatible und verfassungsgemäße Lösung für eine Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zu einigen. Am Mittwoch eskalierte der Dauerstreit zwischen den Ministern, der fast seit Anbeginn der schwarz-gelben Regierungszeit das Koalitionsklima belastet.

Beide Ministerien warfen sich gegenseitig vor, Gesetzentwürfe vorgelegt zu haben, die weder den Richtlinien der Europäischen Union noch den Vorgaben des Verfassungsgerichtes genügen. Erwartungsgemäß konnten sich die beiden Ressortchefs bei einem Spitzengespräch am Mittwochabend nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen. Einigen sich Friedrich und Leutheusser-Schnarrenberger allerdings auch bis zum kommenden Donnerstag nicht, dann drohen der Bundesregierung ein Strafverfahren vor dem EU-Gerichtshof und möglicherweise sogar Strafzahlungen in zweistelliger Millionenhöhe.

Seit Jahren sind die Positionen der FDP-Justizministerin und des CSU-Innenministers unversöhnlich. Leutheusser- Schnarrenberger lehnt eine anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten zur Verbrechensabwehr und -aufklärung ab und will stattdessen eine maximal siebentägige Speicherung von Daten bei hinreichendem Verdacht auf ein Verbrechen – das so genannte Quick-Freeze-Verfahren – im Gesetz verankern. Friedrich besteht auf einer sechsmonatigen Speicherung von Telekom-Daten, um später damit Verbrechen aufklären zu können.

Nach langem Streit in der Koalition hatte Kanzlerin Merkel vor Ostern die Justizministerin aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Regelung der Vorratsdatenspeicherung vorzulegen und in der Regierung abzustimmen. In diesem Entwurf hatte die Ministerin ihre langjährige Position, die Sieben-Tage-Speicherung bei Verdacht, auf 49 Seiten dargelegt. Ihr Sprecher Anders Mertzlufft lobte den Gesetzentwurf seiner Ministerin am Mittwoch als „klugen Kompromiss“, der sowohl den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes als auch denen der EU-Richtlinie entspreche.

Die Justizministerin nennt die Pläne ihres Kollegen eine „Kriegserklärung“

Dem allerdings widersprach der Sprecher von Innenminister Friedrich, Jörg Teschke. Erst durch die umfangreichen Anmerkungen und Ergänzungen, die das Innenministerium zum Anfang der Woche versandt hatte, erlange Schnarrenbergers Gesetzentwurf „Kabinettsrang“, sagte Teschke. Ohne die Anmerkungen, die freilich im Kern den langjährigen Vorstellungen seines Ministers (sechsmonatige Datenspeicherung ohne konkrete Anlässe) entsprechen, erfülle der Gesetzentwurf nicht die Vorgaben von EU-Kommission und Verfassungsgericht. Einen solchen (nicht EU-kompatiblen und verfassungsgemäßen) Gesetzentwurf aber vorzulegen, verteidigte Teschke das die Justizministerin brüskierende Vorgehen seines Hauses, „geht nicht an“.

Einladungen der Justizministerin, über ihren Gesetzentwurf und die vorliegenden Änderungen mit dem Innenminister nunmehr sprechen zu wollen, sagte Teschke lediglich, „nehmen wir zur Kenntnis“. Den Eindruck, dass sein Minister dabei seine Position verlassen werde, wies er zurück. Und zwar mit dem Hinweis darauf, dass es sich bei den regelmäßig alle sechs Wochen und so auch an diesem Mittwoch zwischen beiden Ministern stattfindenden sogenannten „Kleeblatt-Gesprächen“ keinesfalls um eine Runde handele, die sich diesen Namen mit Hinweis auf ein vierblättriges Kleeblatt, welches bekanntlich Glück bringe, gegeben habe.

Leutheusser-Schnarrenberger selbst bezeichnete die Pläne ihres Kollegen am Mittwochabend als „Kriegserklärung“. Dazu sagte Friedrich am Donnerstag: „Wir haben uns mit solchen Vokabeln nicht unterhalten.“ Nach Friedrichs Worten ist die Rechtslage in Europa eindeutig. „Ich muss mich nicht einigen, Frau Leutheusser muss sich auf die Richtlinie der Europäischen Kommission einlassen", sagte der CSU-Politiker im Bayerischen Rundfunk.

Die Bundeskanzlerin wollte am Mittwoch trotz des feindseligen Klimas zwischen ihren beiden Verfassungsministerien kein zweites Mal zur Mäßigung und Einigung aufrufen. Merkel sehe, dass es sich in diesem Fall um „schwierige Ressortabstimmungen“ handle, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert und betonte gleichzeitig, dass die Kanzlerin auf eine Einigung setze. Sie selbst wolle dabei „das Ihrige“ dazu beitragen, den Forderungen der EU-Kommission an die Bundesregierung, die Richtlinien der EU umzusetzen, auch nachzukommen. Ob Merkel ihre beiden Minister länger als bis zum kommenden Donnerstag gewähren lässt und damit ein EU-Vertragsverletzungsverfahren riskiert, das ließ Seibert ausdrücklich offen.

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