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Politik: Vorsicht Panik

Von Dagmar Dehmer

Die Gefahr einer weltweiten Grippewelle mit Millionen Toten ist heute größer als noch vor Jahren. Trotzdem muss in Deutschland derzeit niemand fürchten, sich mit dem auch für Menschen gefährlichen VogelgrippeVirus (H5N1) zu infizieren. Beides stimmt. Das macht es so schwierig, sich auf eine Pandemie vorzubereiten, ohne dabei in Hysterie zu verfallen.

Einerseits besteht tatsächlich Anlass zur Sorge. Das Influenza-Virus H5N1 hat sich, seit es 2003 in Südostasien zum ersten Mal nachgewiesen wurde, bis nach Europa ausgebreitet. Allein in Südostasien sind 100 Millionen Hühner, Enten und Gänse getötet worden oder an der Vogelgrippe gestorben, ohne dass die Tierseuche aufgehalten worden wäre. 60 Menschen haben die Ansteckung mit dem H5N1-Virus nicht überlebt. Insgesamt haben sich etwa doppelt so viele Menschen bisher damit infiziert.

Auf der anderen Seite geht es noch immer um eine Vogelkrankheit. Menschen können sich bisher nur dann anstecken, wenn sie engen Kontakt mit kranken Tieren haben. Doch Grippeviren verändern sich, und so ist es möglich, dass auch dieses irgendwann von Mensch zu Mensch springt. Dann aber drohen die schlimmsten Befürchtungen der Vereinten Nationen wahr zu werden – ihr Vogelgrippe-Koordinator David Nabarro spricht von bis zu 150 Millionen Toten. Deshalb muss sich die Welt vorbereiten, muss es möglich sein, schnell Impfstoffe zu entwickeln, müssen Grippemittel gelagert und Quarantänepläne gemacht werden.

Das Virus könnte auf drei Wegen in deutsche Hühnerställe kommen: Erstens durch illegale Einfuhren von Geflügel oder Geflügelprodukten wie etwa Federn; da ist der Zoll gefordert, der offenbar eine Vielzahl solcher Mitbringsel aus Risikoländern konfisziert hat. Zweitens durch unvorsichtige Reisende, die das Virus in Südostasien auf Geflügelmärkten einfangen und einschleppen. Drittens durch Zugvögel. Wenn beispielsweise der Kot einer virustragenden Ente auf einen Balkon fällt, auf dem sich gerade ein Wellensittich, Papagei oder Kanarienvogel sonnt, könnte der Hausvogel mit dem Virus infiziert werden. Diese Tiere müssen davon nicht krank werden, sie könnten das Virus aber bei engem Kontakt auf ihre Besitzer übertragen. Der Fall ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich. Denn neben den vielen Wenns gibt es nur wenige Zugvogelrouten, die aus den Risikogebieten über Deutschland führen, zur derzeitigen Jahreszeit sogar gar keine.

Deshalb ist der Ruf nach einer Stallpflicht für Geflügel auch eher ideologisch bedingt. Der Bauernverband und einige konservative Landwirtschaftsminister in Deutschland sehen eine Chance, der arbeitsaufwändigen Freilandhaltung von Hühnern das Wasser abzugraben und die Tiere endlich wieder in Käfige zu sperren. Wirklich bedenklich ist aber, dass die UN die Unsicherheit über die Vogelgrippe mit ihren Warnmeldungen noch befeuern müssen, um im Notfall die Entwicklung eines Impfstoffes finanzieren zu können. Bisher gelingt es den UN selten, ihre Programme rechtzeitig finanziert zu bekommen. Kaum ein Staat überweist Geld, bevor die Katastrophe eingetreten ist.

Auch wenn die richtige Vorbereitung viele Menschenleben retten kann: Die Pandemie wird nicht spurlos an uns vorübergehen. Wie sie schon jetzt an den Vogelställen nicht spurlos vorübergeht. Im Seuchenfall zeigt sich erst richtig, wie wenig ein Tier wert ist.

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