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Ein Imker zeigt eine Bienenwabe an einem blühenden Rapsfeld.

© Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Vorwurf der Symbolpolitik: Grüne fordern von Bundesregierung Verbot von "Bienenkillern"

Den Aufruf von Angela Merkel im Bundestag, gegen das Artensterben vorzugehen, bezeichneten die Grünen als „billige Symbolpolitik“. Sie fordern ein Verbot der für Bienen schädlichen Pflanzenschutzmittel.

Die Grünen fordern von der Bundesregierung, alle "Bienenkiller konsequent von den Äckern" zu verbannen. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner warf Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrer Regierung am Mittwoch "billige Symbolpolitik" beim Kampf gegen das Artensterben vor. "Ohne echten Kurswechsel in der Agrarpolitik werden wir den dramatischen Verlust von Vielfalt, Bienen und anderen Insekten nicht stoppen können", erklärte er.

Zuvor hatte Angela Merkel im Bundestag dazu aufgerufen, gegen das Bienensterben vorzugehen. "Bienen stehen pars pro toto für das, was wir unter Artenvielfalt verstehen", sagte sie und wies auf den Weltbienentag am 20. Mai hin.

"Wenn Angela Merkel den Bienenschutz glaubhaft zur Chefsache machen will, muss ihre Regierung viel mehr tun als einmal im Jahr an die Artenvielfalt denken", erklärte Ebner. So müsse die Regierung neben den drei jüngst von der EU verbotenen Neonikotinoiden alle weiteren für Bienen schädlichen Pflanzenschutzmittel verbannen. Außerdem forderte er von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), sich einer Umschichtung von Fördergeldern auf bienenfreundlich wirtschaftende Agrarbetriebe nicht mehr zu verweigern.

Derzeit wird auf EU-Ebene über die Zukunft der Agrarhilfen gerungen. Nach den Plänen des Haushaltskommissars Günther Oettinger sollen sie um fünf Prozent gekürzt werden und Direktzahlungen an die Landwirte an ein "höheres Maß an umwelt- und klimapolitischen Ambitionen" geknüpft werden.

Julia Klöckner will am Donnerstag einen Aktionstag zum Thema Bienen im Landwirtschaftsministerium in Berlin eröffnen. Dabei soll sie zwei Bienenstöcke einweihen und eine "deutsch-slowenische Bienenallianz" mit ihrem Amtskollegen Dejan Zidan auf den Weg bringen. Slowenien war der Initiator des Weltbienentags der Vereinten Nationen.

Am Donnerstag will außerdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) über eine Klage der Pflanzenmittelhersteller Bayer, BASF und Syngenta entscheiden. Diese hatten gegen eine frühere Einschränkung von Neonikotinoiden geklagt.

Experten zweifeln am Bienensterben

Gerade im Fall der Bienen bezweifeln Experten indes, dass es in Deutschland bereits ein Artensterben gibt. „Die Honigbiene wird das letzte Insekt sein, das ausstirbt“, sagte der Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim, Peter Rosenkranz, dem „Zeit Magazin“ (Donnerstag). Die Honigbiene sei nicht bedroht, „solange es Imker gibt“.
Zwar verendeten im Winter immer wieder Bienenvölker an den Folgen des Befalls mit der Varroamilbe, mit der die meisten Völker infiziert sind. Dass diese Verluste in den letzten Jahren zugenommen hätten, ist nach Daten des Fachzentrums Bienen und Imkerei in Mayen jedoch „statistisch nicht gesichert“.

Ein Landwirt sprüht auf ein Feld mit Weizen bei Eglingen (Baden-Württemberg) Pflanzenschutzmittel gegen Unkraut.
Ein Landwirt sprüht auf ein Feld mit Weizen bei Eglingen (Baden-Württemberg) Pflanzenschutzmittel gegen Unkraut.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Auch bei Wildbienen, von denen die Hälfte der Arten auf der Roten Liste stehen, sei die Situation nicht so dramatisch, dass man von einem „Bienensterben“ sprechen könne, sagt der Wildbienenforscher Robert Paxton von der Universität Halle. Er rechnet allerdings damit, dass in den nächsten 25 Jahren ein Drittel der knapp 600 Wildbienenarten in Deutschland aussterben - „wenn wir die ständige Intensivierung der Landnutzung nicht ändern“. Weltweit sterben jedoch seit Jahren ganze Stämme von Honigbienen. Experten warnen davor, dass die Art in wenigen Jahren ausgestorben sein könnte. Ein Drittel der essbaren Pflanzen, aber auch Futtermittel für Nutztiere und pflanzliche Rohstoffe wären ohne Bienen in Gefahr. Bienen spielen für die Bestäubung von Obst und Gemüse eine wichtige Rolle.

Pflanzenschutzmittel im Verdacht

Als Ursache des Insektensterbens verdächtigen Insektenforscher insbesondere Pflanzenschutzmittel. Auf diesen Zusammenhang verwiesen Insektenkundler in diversen Medienberichten. Und die Skepsis gegenüber sogenannten Neonicotinoiden ist weit verbreitet. Mit einer spektakulären Aktion hat etwa eine niedersächsische Filiale der Supermarktkette Penny am vergangenen Montag auf das Problem der Insektenbestäubung aufmerksam gemacht.

In Langenhagen nahm das Personal für einige Stunden alle Produkte aus den Regalen, die direkt oder indirekt von der Insektenbestäubung abhängig sind. 60 Prozent der insgesamt 2500 Produkte mussten die Mitarbeiter aussortieren. Die Kunden hatte Penny vor der Aktion nicht informiert. "Wir haben auf den Aha-Effekt gesetzt", sagte Unternehmenssprecher Andreas Krämer der Nachrichtenagentur AFP.

Die Penny-Mitarbeiter räumten Obst wie Äpfel, Birnen und Orangen, Gemüse wie Zucchini, Auberginen und Gurken aus. Dazu kamen alle Süßigkeiten mit Schokolade, aber auch Gummibärchen mit Bienenwachsüberzug. Zudem: "Gewürze, mariniertes Fleisch, Fruchtquark, Toilettenpapier mit Kamillenblütenduft...", zählte Krämer auf. Die Aktion fand "gezielt" vor dem ersten Weltbienentag der UNO am Sonntag statt, wie Leif Miller betonte, Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). Ein Umdenken in der Landwirtschaft sei unausweichlich, forderte Miller.

"Erschrocken" äußerte sich auch der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) in der so fast leergeräumten Penny-Filiale: "Die Konsequenzen eines ungebremsten Insektensterbens werden uns hier auf deutliche Weise vor Augen geführt." Ein Großteil des gesamten Lebensmittelsortiments sei von der Leistung von Bienen und vielen anderen Insektenarten abhängig. "Ohne sie hätten wir sehr stark ausgedünnte Supermärkte - und dieses Problem träfe uns dann alle!" Politik und Gesellschaft müssten unverzüglich gegensteuern - Verbraucher etwa, indem sie saisonale, regionale und vor allem nachhaltige Produkte kauften. (AFP,KNA, tsp)

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