zum Hauptinhalt

Politik: Wachwechsel in Zentralasien

Die US-Truppen ziehen ab, die Russen kommen

Die einen gehen, die anderen kommen – wieder. In sechs Monaten soll der letzte Amerikaner auf der usbekischen Luftwaffenbasis Chanabad das Licht ausknipsen. Die Lage in Afghanistan habe sich stabilisiert, heißt es in einer Note des Taschkenter Außenministeriums, Washingtons militärische Präsenz in der zentralasiatischen Ex-Sowjetrepublik sei daher nicht länger erforderlich. Doch schon bald könnten in Chanabad russische Soldaten einziehen.

Weil er um seine Macht besorgt ist, nahm Usbekenpräsident Islam Karimow gleich nach den Unruhen in Andishan Mitte Mai Geheimverhandlungen mit Moskau auf. Das Ergebnis: Bei neuen Unruhen darf Russland erneut Truppen in Usbekistan stationieren, das dazu insgesamt zehn Flugplätze zur Verfügung stellt. Außerdem pocht der Kreml dort auf eine ständige Truppenbasis und eine weitere in Südkirgisien. In Kant stehen bereits 5000 russische Soldaten.

Knapp 20 Kilometer weiter, in Manas nahe der Hauptstadt Bischkek, befindet sich die zweite zentralasiatische Luftwaffenbasis der Amerikaner. Genaue Fristen für deren Abzug von dort gäbe es bisher nicht, sagte Kirgisiens Außenministerin Rosa Otumbajewa dem Tagesspiegel. Otumbajewa spielte dabei auf eine Deklaration der Schanghai-Organisation an. Mitglieder sind neben Russland und China auch die zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan und Usbekistan. Iran, Pakistan und Indien haben seit Juli Beobachterstatus. Deren Staatschefs hatten auf ihrem jüngsten Gipfel Anfang Juli von Washington konkrete Rückzugstermine verlangt. Die lieferte jetzt Sergej Mironow, Russlands Senatspräsident nach: Auch in Kirgisien sei es mit dem militärischen Engagement der USA, die seit Beginn des Afghanistanfeldzugs im Herbst 2001 Basen und Luftraum Zentralasiens nutzen, in spätestens einem Jahr vorbei.

Das von westlichen Beobachtern als „pro-russische Konterrevolution in Zentralasien“ bezeichnete Phänomen kam nicht aus heiterem Himmel. Nachhaltig beschädigt wurde die junge Freundschaft zwischen Bush und den Autokraten Zentralasiens schon durch die Machtwechsel in Georgien, der Ukraine und besonders in Kirgisien. Präsident Askar Akajew, der dort im März abdanken musste, und sein usbekischer Amtskollege Islam Karimow machten für die Umstürze vor allem Hilfe aus den USA verantwortlich. Zum definitiven Bruch kam es, als Washington auf einer internationalen Untersuchung des Massakers in Andishan bestand. Für Beobachter war dies der vorläufige Höhepunkt eines internen Gerangels um die Prioritäten der amerikanischen Zentralasienpolitik. Das Pentagon, dem es um Basen und Luftraum ging, war bereit, Menschenrechtsverletzungen seiner zentralasiatischen Juniorpartner zu übersehen, das State Department dagegen drängte auf demokratische Mindeststandards und setzte sich damit bis auf weiteres durch.

Karimow konterte mit einer Propaganda-Offensive gegen Neokolonialismus, riss das Steuer Richtung Moskau herum und wurde dort mit offenen Armen empfangen, denn auch der Kreml erhofft sich von Zentralasien langfristig viel: Mit dem Ausbau der Schanghai-Organisation könnten vielleicht alte Träume von einer Anti-Opec- und Anti-Nato-Organisation in Erfüllung gehen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false